Filmen: „Ich hab keine Ängste entdeckt“

Der Hamburger Schüler Sina Aaron Moslehi hat einen Dokumentarfilm über Sterbende gedreht. Am schwersten, sagt er, sei das Sterben für die Angehörigen.

Angstfrei: Sina Aaron Moslehi. Bild: Miguel Ferraz

taz: Herr Moslehi, kann der Tod etwas Schönes haben?

Sina Aaron Moslehi: Ich weiß nicht, ob man das schön nennen kann. Aber ich denke, der Tod kann etwas sehr Friedliches haben, das was man „in Würde gehen“ nennt. Vielleicht kann der Tod so etwas Schönes haben. Der Tod ist immer eine Trennung, von Freunden und Familie, aber auch von dem, was man kennt. Wir wissen nicht, was nach dem Tod kommt, deshalb sehen wir ihn immer als etwas Negatives.

In Ihrer Dokumentation über ein Hamburger Hospiz sah man viele todkranke Menschen. Hat Ihnen das Angst vor dem Tod gemacht?

Ich hab mich schon vor Beginn der Dreharbeiten mit dem Thema beschäftigt und hab keine Ängste bei mir entdeckt. Eine Krankenschwester sagte bei den Dreharbeiten: „Ich habe Angst, dass ich viel zu jung sterbe oder vor der Todesart, aber vor dem Tod an sich habe ich keine Angst.“ Meine Nicht-Angst wurde durch den Dreh der Doku noch bestärkt. Wenn der Tod friedlich ist, gibt es keinen Grund, Angst zu haben. Das Einzige, wovor ich Respekt habe ist, dass ich nicht weiß, wohin die Reise geht. Also was nach dem Sterben kommt.

Noch während Ihrer Dreharbeiten sind die portraitierten Menschen verstorben. Wie geht man damit um?

Das war eine Situation, die ich zuerst nicht so wahrgenommen habe. Ich wusste, dass Personen in ein Hospiz gehen, um in Würde zu versterben. Ich war auch ohne Kamera öfter da, einfach zur Recherche. Bei diesen Vorbereitungen sagte eine Pflegerin zu mir: „Wir können eigentlich gar nicht planen, wen du begleiten und interviewen kannst, weil wenn du in drei Monaten wiederkommst, sind die Personen, die du jetzt hier siehst, verstorben.“ Da hab ich lernen müssen, damit umzugehen, dass die Gäste, mit denen ich später sprechen werde, auch versterben.

Wie stark hat Sie das berührt?

Es hat mich sehr getroffen, man baut ja auch außerhalb der Dreharbeiten eine Beziehung zu den Menschen auf. Aber ich hatte durch die Drehvorbereitungen Zeit, mich selber darauf vorzubereiten. Und wenn man sieht, wie Menschen in Würde gehen, dann ist es leichter loszulassen.

19, macht sein Abitur an einem Hamburger Gymnasium und möchte danach Strafrecht studieren. 2013 drehte er den Dokumentarfilm "Zeit zu leben" über ein Hamburger Hospiz. Für seinen Film "Zum Andenken: Vom Leben und Sterben des Ernst Lossa" über NS-Euthanasie-Verbrechen bekam er den Bertini-Preis.

In der Hospiz-Doku haben Sie gefilmt, wie eine Verstorbene aufgebahrt wurde. Haben Sie sich dabei nicht ein wenig voyeuristisch gefühlt?

Es ist im Allgemeinen bei diesem Thema eine schwierige Frage: Wann kann ich etwas drehen, wann werde ich zu persönlich. Ich hab im Vorfeld mit den Hospizgästen gesprochen und mir deren Einverständnis eingeholt. Was ich für mich selber beschlossen habe ist, dass auch nach dem Versterben des Hospizgastes die Würde absolut gewahrt wird. Und die Szenen, die dabei entstanden sind, sind zwar immer Detailaufnahmen, aber sie sollen nur Dinge andeuten. Die Hospizgäste haben mich bis an eine gewisse Grenze gelassen und ich habe mich bemüht, diese Grenze nicht zu überschreiten. Das war mein Ziel und auch eine Herausforderung.

Haben Ihre Gedanken ständig um die bald sterbenden Patienten gekreist?

Natürlich nimmt man die Eindrücke mit nach Hause. Einfach nach Hause gehen und mit dem Tag abschließen kann ich nicht. Vor allem, wenn man über eine lange Zeit im Hospiz ist, denkt man darüber nach, was man gerade erlebt hat und was gerade passiert ist. Aber ich habe immer versucht, das Erlebte praktisch abzulegen. Das ist mir nicht immer gelungen, aber es hat ein wenig geholfen. Nach und nach wurde es leichter.

Sie stehen kurz vor dem Abitur, eine Zeit, die für viele Menschen eine Aufbruchstimmung hat. Sie beschäftigen sich mit dem Tod.

Ich wollte gerne vor dem Abitur noch einen Film drehen, eine kleine Doku hatte ich schon mit 15 Jahren gemacht. Ich wollte es aber auch nicht provozieren. Im Radio hab ich dann eine Meldung über Demonstrationen gegen einen Hospizbau gehört. Das brachte mich zu dem Thema.

Den Angehörigen fiel der Aufenthalt manchmal genauso schwer wie den Gästen …

Der Ehemann eines Gastes konnte es nicht ertragen, dass seine Frau hier stirbt – obwohl sie sich damit abgefunden hatte. Er hatte einfach die Hoffnung, dass es irgendwo einen Arzt gibt, der ihr doch noch helfen könne. In so einem Fall müssen sich die Pflegerinnen auch um die Angehörigen kümmern. Zwar gilt der Grundsatz „Zuerst der Gast“, aber wenn die Angehörigen nicht mitziehen, belastet das den Gast, was nicht gut ist. Manchmal benötigen die Angehörigen viel mehr Zeit als die Gäste, um zu verstehen, was das für eine Situation ist. Und manche brauchen da sehr viel Hilfe. Es gibt auch spezielle Seelsorger, mit denen man sprechen kann, aber die Schwestern sind immer für die Angehörigen der erste Ansprechpartner.

Sie sind recht jung für einen Dokumentarfilmer. Viele Pressestimmen bezogen sich nur auf Ihr Alter. Haben Sie Angst, dass Ihr Film dadurch an Bedeutung verliert?

Ich hab bisher nicht den Eindruck gehabt, dass die Arbeit da untergeht. Aber es ist schon richtig zu sagen, dass mein Alter eine bedeutende Rolle spielt, bei der Auseinandersetzung mit dem Film, den ich gemacht habe. Aber ich glaube nicht, dass ich einen Welpen-Bonus bekommen habe. Von den Leuten, mit denen ich persönlich über die Doku gesprochen habe, bekam ich ein sehr differenziertes Feedback.

In der Doku wirken alle sehr offen Ihnen gegenüber. Waren sie wirklich so willkommen?

Das erste Treffen mit dem Hospizpersonal war eine Teamsitzung, das war für die ganz normal und regulär, die finden regelmäßig statt. Ich hab mich und meine Idee kurz vorgestellt. Für mich war es sehr wichtig, dass das Personal hinter den Dreharbeiten steht, denn nur dann ist so eine Doku möglich. Wenn alle einander vertrauen und offen dem anderen gegenüber sind. Und das war so. Alle waren mir gegenüber sehr offen und ich hab mit allen sprechen können. Das hat mir bei meinem Film sehr geholfen. Wirkliche Ablehnung hab ich nicht erfahren.

Und Vorbehalte?

Eine Ärztin hat mir gesagt, dass wenn man so jung ist, kann man sowieso keinen Film über so ein Thema machen. Ich hab da darüber nachgedacht, ob man wirklich mit 18 Jahren so einen Film machen kann und kam zu dem Schluss: Ja, kann man.

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