Panini-Werbekampagne in Schulen: Die Angst vorm Aufkleberjunkietum

Panini verteilt sein WM-Album an Schulen. Eigentlich ist das unerlaubte Werbung – und auch ein Köder für die Kinder, viele teure Sticker zu sammeln.

Die Produktion der Sammelbilder läuft im italienischen Modena auf Hochtouren Bild: dpa

Das Schöne am Fußball ist, dass Menschen die eine oder andere Fünf mal gerade sein lassen. Das dachten sich wohl Brandenburgs und Niedersachsens Bildungsministerien, als sie Anfang der Woche erklärten, es sei irgendwie doch mal okay, die Schüler ausschlafen zu lassen – und sie den Schulen freistellten, während der Weltmeisterschaft in Brasilien den Unterricht wegen der Zeitumstellung später beginnen zu lassen.

Ähnliches dachte sich offenbar auch der Panini Verlag, als er die neue Verkaufsstrategie gezielt auf Schulen ausrichtete – und die Sammelalben zur WM an Grundschulen verteilen ließ. An einer Grundschule in Bremerhaven beglückte eine Lehrerin ihre Erstklässler mit den Stickeralben. Zum Missfallen einiger Eltern, die sich in einem Brief beschwerten: Die Schule hätte die Kinder „angefixt“, zu „Stickersammeljunkies“ zu werden.

Der Bremerhavener Schuldezernent Michael Frost (Grüne) spricht von einer „perfiden Strategie des Panini Verlags“. Die Schulleiter der Bremerhavener Grundschulen hätten angegeben, dass die Schulen offenbar flächendeckend mit den Panini-Alben beliefert wurden, ohne vorher gefragt worden zu seien. Mit dem Ergebnis, dass sie in einigen Fällen „durchgerutscht“ und versehentlich verteilt worden seien.

Wie an Schulen mit Werbung umgegangen werden soll, ist Ländersache. Im Unterschied zum Schulsponsoring ist unerwünschte Werbung grundsätzlich nicht erlaubt, wenn sie nicht schulischen Zwecken dient. Wo das eine aufhört und das andere anfängt, ist umstritten. Für die Bremerhavener Schuldezernenten ist bei den Panini-Heften aber rechtlich klar: „Auf keinen Fall dürfen solche Werbemittel, die rein wirtschaftliche Zwecke verfolgen, an Schüler ausgehändigt werden.“

Wie genau die Sammelhefte in die Hände der Kinder kamen, ist unklar. Panini bestreitet, die Schulen unaufgefordert zu beliefern. „Nur nach Genehmigung des jeweiligen Schulleiters werden die Hefte verschickt“, sagt Birgit Barner, Marketingmanagerin bei Panini. Sollte eine Schule die Hefte versehentlich bekommen haben, bestehe ja noch die Möglichkeit, sie nicht zu verteilen.

Die „Kernzielgruppe“

Barner räumt ein, dass sich die bisher umfangreichste Marketingkampagne, die der Konzern für die bevorstehende WM angekündigt hat, vor allem an Sechs- bis Zwölfjährige richtet. Die seien eben die „Kernzielgruppe“, sagt sie.

Um möglichst nah an die Schüler heranzukommen, setzt der Konzern darauf, kostenlos Stickeralben an Grund- und Hauptschulen zu verteilen. Die mit zwei Euro vergleichsweise billigen Hefte dienen als Anreiz, viel teurer als die Hefte sind die Sticker. Eine Tüte mit fünf Aufklebern kostet 60 Cent. Insgesamt benötigt man 640 Sticker, um das Heft vollzukriegen.

Die Idee, die Alben direkt an die Kinder zu geben, sei, laut Panini-Frau Barner, von Lehrern an das Unternehmen herangetragen worden. Denn so ein Album biete ja auch für den Unterricht „ein enormes Potenzial“. Man könne damit Zahlen lernen, sagt sie, oder die Flaggen. Außerdem befördere es den Mannschaftsgeist und die Tauschkultur.

Werbeagentur beauftragt

Um die Verbreitung der Hefte zu organisieren, hat Panini die Hamburger Schulmarketingagentur dsa beauftragt. Die hat es sich zur Aufgabe gemacht, die „wirtschaftlichen Interessen der werbetreibenden Unternehmen mit dem pädagogischen Bildungsauftrag in Einklang zu bringen“.

Dass Schulen sehr unterschiedlich mit der Werbung umgehen, weiß André Mücke von der dsa-Geschäftsführung. In den meisten Fällen werde aber auf die Entscheidungshoheit der jeweiligen Schulleitungen verwiesen. Es gebe Schulen, die diesen Maßnahmen sehr offen gegenüberstehen, andere seien dagegen sehr kritisch eingestellt.

Auf das Panini-Fieber will das Bremerhavener Schulamt jedenfalls nicht einstimmen. Hier werde der Vorfall nun zum Anlass genommen, die Schulen noch einmal „nachdrücklich auf die Verwaltungsvorschriften hinzuweisen, damit künftig keine Kinder für wirtschaftliche Interessen missbraucht werden“, betont Frost. Die Sammelalben mussten die Erstklässler Anfang der Woche auch wieder zurückgeben.

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