Rechtsruck in Frankreich: Sozialisten auf dem Rückzug

Frankreichs Regierung kippt die Pläne zur Einführung eines Ausländerwahlrechts. Das war absehbar, bedeutet aber eine Kapitulation vor den Rechten.

Demonstration in Paris gegen den Front National am Donnerstag. Bild: ap

PARIS taz | Der französische Innenminister Bernard Cazeneuve hat nur bestätigt, was manche WählerInnen von François Hollande längst befürchtet hatten: Die im Wahlkampf der Sozialisten versprochene Einführung eines kommunalen Wahlrechts für legal ansässige AusländerInnen (Nicht-EU-Bürger) steht bis zum Ende der Amtszeit von Präsident François Hollande 2017 nicht mehr zur Debatte.

Die Regierung sei sich bewusst, dass sie für diese von der bürgerlichen und xenophoben Rechten heftig bekämpfte Reform nicht keine für eine Verfassungsänderung ausreichende Mehrheit habe, sagte Cazeneuve.

Aus diesem Grund wird also eines der zentralen Wahlversprechen sang-, klang- und kampflos beerdigt. Eine Änderung im Grundgesetz braucht in Frankreich die Zustimmung beider Parlamentskammern und muss dann entweder bei einer Volksabstimmung durchkommen oder mit einer Dreifünftelmehrheit der zum Kongress vereinten Kammern abgesegnet werden.

Eigentlich war schon seit Monaten klar, dass aus diesem institutionellen Grund der komplexen verfassungsrechtlichen Prozedur die Regierung die Erweiterung der politischen Rechte nicht mehr auf die parlamentarische Tagesordnung stellen wollte.

Premier Manuel Valls war schon immer dagegen

Bekannt war auch, dass der frühere Innenminister und heutige Regierungschef, Manuel Valls, von Beginn an gegen die Reform war. Er hatte die Reform gleich als politisch nicht opportun bezeichnet, was ihm die empörte Kritik vieler sozialistischer Parteikollegen eingebracht hatte. Doch Valls hielt an seiner Position fest – und blieb dabei auch als Premierminister. Noch vor wenigen Wochen hatte Präsident Hollande dagegen versichert, er habe sein Wahlversprechen nicht beerdigt.

Schockierend ist Cazeneuves zweite Begründung. Er meinte, es habe keinen Zweck, für anscheinend aussichtlose Forderungen zu kämpfen. Die Regierung müssen sich „auf das Wesentliche konzentrieren, das mit den gegenwärtigen Mehrheitsverhältnissen durchsetzbar ist: den Ausgleich der öffentlichen Finanzen des Landes und die Wachstumsförderung“.

Die Definition von Prioritäten klingt pragmatisch. In Wirklichkeit aber bedeutet sie eine politische Kapitulation nach dem Wahlerfolg der extremen Rechten bei den EU-Wahlen am vegangenen Sonntag. In diesem Kontext erscheint der Verzicht auf eine Kraftprobe um das Ausländerwahlrecht zwangsläufig wie ein präventiver und feiger Rückzieher.

An der anderen Seite zögerte derselbe Innenminister nicht, am Mittwoch in Hafen von Calais am Ärmelkanal ein slumartiges Camp von mehreren hundert Flüchtlingen polizeilich räumen und – offiziell aus hygienischen Gründen wegen einer Krätze-Epidemie – mit Bulldozern dem Erdboden gleichmachen zu lassen. Am Donnerstag demonstrierten in mehreren Städten Frankreich Tausende von Jugendlichen und Gewerkschaftsmitgliedern gegen den wachsenden Einfluss der fremdenfeindlichen Rechtsextremisten des Front National.

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