Studierende organisieren Festival: Hochamt der Praktikanten

Anfang Juni findet in Lüneburg bereits zum elften Mal das Lunatic-Festival statt. Für die ist es Teil des Curriculums, manche kommen extra für das Seminar in die Heide.

Sieht professionell aus, wird aber von Studenten im Rahmen eines Seminars organisiert: Lunatic-Festival. Bild: Lucas Ney

LÜNEBURG taz | Die Zeit rennt. Noch zwei Wochen. Dann muss alles klappen – die Anlagen müssen aufgebaut, die Getränke gekühlt, die Zäune bewacht und die Musiker abgeholt sein. Die Organisatoren des Lunatic-Festivals werden auf der Bühne stehen und sich ihren Applaus abholen. Und dann ist auch schon wieder alles vorbei, die Arbeit von 50 Leuten, von einem Dreivierteljahr. An nur zwei Nachmittagen wird sich zeigen, ob jeder seinen Job gemacht hat.

Das Lunatic-Festival in Lüneburg ist kein Festival wie jedes andere, auch wenn das Endprodukt – zwei Tage Musik- und Kulturveranstaltung mit internationalen Acts – anderen seiner Art ähnelt. Denn das Organisationsteam speist sich aus dem Seminar „Projektmanagement in der Festivalorganisation“. Das klingt für vorlesungsmüde Studierende interessant und entsprechend beliebt ist das Seminar, das immer zum Wintersemester fächerübergreifend angeboten wird.

Die Teilnehmer bilden Teams – Booking, Finanzen, Technik und Infrastruktur, PR. Unterstützung erhalten sie von den schon aus den Vorjahren erfahrenen Festivalleitern. Was manche Studierende zu Beginn des Seminars nicht wissen: Sie schrieben sich, zumindest für die Zeit unmittelbar vor dem Festival, für einen ehrenamtlichen Fulltime-Job ein.

Wo anderswo Riesenfirmen große Sponsoring-Pakete springen lassen, kommt hier der Haupterlös aus dem Ticket- und Getränkeverkauf. Jedes Jahr wird gezittert, ob der „Break Even“ erreicht wird, und gehofft, dass es diesmal – es wäre das erste Mal – zum Ausverkauf der 3.000 Tickets kommt.

Von fiebrigem Zittern und Hoffen allerdings ist an diesem heißen Nachmittag im Besprechungsraum der Universität Lüneburg noch nicht viel zu merken. Die Sonne knallt von draußen rein, und die zehn Mitglieder des Teams „Festivalleitung“ fächern sich Luft zu. Die Ruhe vor dem Sturm?

„Die großen organisatorischen Dinge sind zu diesem Zeitpunkt längst geklärt“, sagt Sarah Kociok, eine der Leiterinnen des Lunatic-Festivals. „Jetzt geht es an die Umsetzung der vielen Details.“ Fragen wie die, wann der Online-Ticketshop schließen soll, damit die Tickets noch rechtzeitig mit der Post ankommen, wollen ebenso geklärt werden wie die Zahl der Security-Männer vor dem Backstage-Bereich.

Dabei wird basisdemokratisch entschieden. Wenn nicht alle ihr Okay geben, wird weiter diskutiert. Die Hierarchien sind nicht flach, sondern streng genommen gar nicht vorhanden. Der Status als Festivalleiter schützt nicht vor unliebsamen Aufgaben wie Plakatieren oder Flyerverteilen.

Alena Kruse ist Master-Studentin an der Uni Lüneburg und seit letzen Herbst „Lunautin“. Von ihren regulären Seminaren hat sie im Sommersemester nur wenig mitbekommen, zu groß ist der Arbeitsaufwand kurz vor dem Festival. Gerade sitzt sie an den Texten für das Booklet, die Deadline für den Druck rückt näher. „Ich wusste, worauf ich mich einlasse“, sagt sie. „Die Möglichkeit, bei der Festivalorganisation mitzuarbeiten, war ein Hauptgrund für mich, hier mein Studium zu beginnen.“

Auch später am Nachmittag ist von Nervosität nicht viel zu spüren. Das Seminar ist kurzfristig nach draußen verlegt worden, in einer Runde im Halbschatten wird über die letzten dringenden Anliegen geredet. Der Teufel steckt auch hier im Detail. Ein Bierwagen fehlt, ein Gastronomiestand hat kurzfristig abgesagt, es gibt nicht genügend Kühlschränke.

Warmes Bier auf dem Festival, das gab es schon einmal, als nachts der Strom ausfiel. Unmut bei den Getränkeverkäufern, Unmut bei den Besuchern – das kann sich das Lunatic nicht leisten. Außerdem fehlen noch Freiwillige, die auf dem Festivalgelände Nachtwache halten. Doch der Ton bleibt entspannt.

Vielleicht ist es das Vertrauen darin, dass es auch die letzten zehn Jahre immer geklappt hat, das die „Lunauten“ so gelassen wirken lässt. 2004 fand das Lunatic-Festival zum ersten Mal statt. Im Herbst 2003 hatten 25 Studierende den Verein Lunatic gegründet, der die Grundlage für das Festival bildet. Geblieben ist seither die nachhaltige Ausrichtung: Ökostrom, vegetarisches und regionales Essen, Tickets aus Recyclingpapier.

Vieles hat sich aber auch verändert: Aus einem Festivaltag sind zwei geworden, das Gelände ist von einem Parkplatz auf die Wiese vor der Mensa umgezogen, die größer ist und grüner. Neben der großen Bühne gibt es seit drei Jahren auch die „Spielwiese“. Dort stehen eine zweite kleine Bühne und Stände von interaktiven Kunst- und Sozialprojekten. Auch die Spielwiese wird jedes Jahr von einem Seminar auf die Beine gestellt. „Daran nehmen vor allem Studierende der unteren Semester teil, die ohne Druck in die Festivalorganisation schnuppern wollen“, sagt Sarah Kociok.

An diesem Nachmittag sind beide Seminare für ein Gruppenfoto zusammengekommen. Ein bunter Haufen junger Leute, die jüngsten gerade mal 18 Jahre alt, die ältesten um die 25. In zwei Wochen werden sie hier mit Walkie-Talkies über das Gelände rennen. Zeit, sich eine der Bands aus der Publikumsperspektive anzusehen, wird kaum sein. Alena Kruse hat jetzt schon Angst vor dem Blues, der kommt, wenn alles über die Bühne gegangen ist. „Nächstes Jahr will ich auf jeden Fall wieder dabei sein“, sagt sie.

■ Fr, 6. und Sa, 7. 6., Campus der Leuphana Universität, Lüneburg
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