Schwarzmarkt steigert Wirtschaftsleistung: Bordelle sollen Spanien retten

Spanien will seine offizielle Wirtschaftsleistung erhöhen, indem es die Prostitution mit einrechnet. Doch das ist gar nicht so einfach.

Auch Prostituierte tragen zum Bruttoinlandsprodukt bei. Bild: dpa

MADRID taz | Spanien ist gar nicht so arm, wie es auf den ersten Blick aussieht. Diese Idee steckt hinter einer Debatte, die dieser Tage die Wirtschaftsseiten der Presse des südeuropäischen Krisenlandes füllt. Es geht darum, illegale Aktivitäten wie Prostitution und Drogenhandel im Bruttoinlandsprodukt (BIP) mit zu erfassen. Der Vorteil: Das BIP steigt, die Verschuldung und das Haushaltsdefizit sinken. Zumindest – und das ist für die entsprechenden EU-Maßstäbe ausschlaggebend – relativ zur Wirtschaftsleistung des Landes.

Brüssel lässt diese neue BIP-Berechnung seit Anfang des Jahres zu. Mehr noch: Ab 2016 muss der Schwarzmarkt in den offiziellen Zahlen auftauchen.

Spaniens konservative Regierung geht davon aus, dass das BIP inklusive all dieser Aktivitäten um ein bis zwei Prozent über dem liegt, was bisher als offizielle Zahl gilt. Und auch das könnte viel zu kurz gegriffen sein.

Dabei steht das Nationale Statistikamt in Madrid (INE) vor keiner leichten Aufgabe. Wie viele Dealer verkaufen Drogen welcher Art und in welchen Mengen? Wie viele Prostituierte stehen sich die Füße platt oder bieten ihre Dienste in Wohnungen in den Städten oder in Großbordellen entlang der Landstraßen an? Das sind nur zwei der Fragenkomplexe, die es dafür zu beantworten gilt.

Spaniens größte Tageszeitung El País berichtet, dass Techniker des INE in den vergangenen Monaten Verbände besucht haben, die Prostituierte betreuen. Geholfen hat das wenig. Denn die Organisationen wissen nur von Frauen, die sich an sie wenden. Und das sind die wenigsten.

„Wie viele Kunden im Schnitt?“

Auch der Verband der Bordellbesitzer konnte nicht weiterhelfen. Denn die meisten der dort Organisierten führen ihre Steuern ab, gehören also nicht zur Dunkelziffer. Die E-Mail an den Verband spricht für sich. Darin heißt es: „Wie viel kassiert eine Prostituierte für einen durchschnittlichen Service 2002/2007/2012? Wie viele Kunden hat eine Prostituierte im Schnitt pro Tag 2002/2007/2012? Wie hoch war die durchschnittliche Zimmermiete 2012 in einem kleinen/mittleren Club (mit weniger als 50 Prostituierten)?“

Keiner weiß, wie viele Prostituierte es in Spanien gibt. Schätzungen gehen von bis zu einer halben Million – hauptsächlich – Frauen aus, die ihre sexuellen Dienstleistungen anbieten. Der gesamte Tagesumsatz der Branche soll sich auf rund 50 Millionen Euro belaufen. Hochgerechnet aufs Jahr kämen so rund 2 Prozent des BIP zusammen.

Leichter ist die Berechnung des Geschäfts mit den Drogen. Die Polizei legt ihren Markterhebungen die Mengen beschlagnahmter illegaler Rauschmittel zugrunde. 2012 waren es 21 Tonnen Kokain, 325 Tonnen Haschisch und 229 Kilogramm Heroin mit einem Marktwert von insgesamt 2,7 Milliarden Euro. Das wären allein schon 0,3 Prozent des BIP. Da die Polizei davon ausgeht, dass sie 10 bis 15 Prozent der nach Spanien geschmuggelten Drogen abfängt, würde allein der Drogenhandel 2 bis 3 Prozent des BIP ausmachen. Spanien ist der größte Kokainmarkt nach den USA.

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