Toni Kroos als Führungsspieler: Das Ende der Bescheidenheit

Toni Kroos gilt als zurückhaltend, freundlich und sehr nett. Doch der Mittelfeldspieler verabschiedet sich langsam von diesen Charakterisierungen.

Ballsicher: Toni Kroos im Spiel gegen Portugal. Bild: dpa

SALVADOR DA BAHIA taz | Am Mittwochnachmittag hat Toni Kroos eine bemerkenswerte Pressekonferenz gegeben. Sie unterschied sich deutlich von den anderen PK-Terminen, die nach folgendem Schema F ablaufen: Oben auf dem Podium sitzt ein kregler Nationalspieler, redet viel und sagt recht wenig. Er lässt ein paar Worthülsen herunterkullern zu den Journalisten im Parkett, die froh sind über jedes noch so kleine Geschenk.

Die Brosamen, die Kroos dem schreibenden Volk vor die Füße warf, waren nahrhafter als sonst. Der eigentlich so bedachte und nette Kroos, Mittelfelddienstleister mit Anstellung bei Bayern München, wurde richtig stinkig. Es kann doch nicht sein, dass die internationale Presse immer noch nicht kapiert hat, was ich, Kroos, zu leisten im Stande bin. Es ist doch ein Unding, dass sie meinen formidablen Auftritt gegen die Portugiesen nun als „Durchbruch“ feiern.

Das war der Kern seines Unmuts. Ja, was ist denn mit meinen anderen „Durchbrüchen“, dem Pokalfinale etwa, oder den Auftritten in der Champions League, fragte sich Kroos. „Welche Spiele meinen Sie, in denen ich nicht so gut war, die müssen Sie schon benennen?“, maßregelte er einen englischen Journalisten. Und wer es immer noch nicht kapiert hatte: „Es lief schon vor dem Portugal-Spiel gut für mich.“

Ein bisschen sprach aus ihm der Furor des Missverstandenen, der Ärger des ewig verkannten Talents. Dabei war er ja schon bei der U17-Weltmeisterschaft 2007 der beste Spieler, und ein Titelsammler ist er auch (zweifacher Meister und Pokalsieger, Champions-League-Gewinner mit den Bayern). Wem muss er eigentlich noch etwas beweisen?

Angekommen auf der Führungsebene

Er selbst sieht sich längst angekommen auf der Führungsebene der Nationalmannschaft, und seine Auftritte liefern die besten Argumente dafür. Er führt in der neuen Mittelfeld-Dreierkette halblinks im besten Sinne Regie, lässt seine Vorderleute Müller, Özil und Götze gut aussehen, beliefert sie mit wunderbaren Pässen.

Kroos gilt ohnehin als der beste Techniker im Team. Er kann mit beiden Füßen stramm schießen, das hat ihm sein Vater beim FC Hansa Rostock eingebimst, und sein Verteidigungsverhalten hat er auch entscheidend verbessert. All diese Talente hat Kroos, der gebürtige Greifswalder, bisher in aller Bescheidenheit angepriesen. Aber damit ist jetzt offensichtlich Schluss: Kroos möchte als der erscheinen, der er schon lange ist: ein Weltklassemann, der sich locker unter die Top Ten der Ballstreichler einreiht.

Was er denn eigentlich dagegen tun könne, als „unterbewertet“ zu gelten, wollte ein anderer Fragesteller von dem 24-Jährigen wissen. „Anscheinend nichts, denn ich spiele ja ganz gut. Wichtig war mir immer, was die Trainer von mir denken“, sagte Kroos und war dabei wohl nicht ganz ehrlich, denn aus jeder Pore drang sein Wunsch, endlich ernstgenommen zu werden von der Weltpresse.

Dass diese anschließend auch noch davon fabulierte, Kroos spiele auf dem Feld die Rolle des „Garçon“, also des Kellners, darin musste Klassekicker Kroos zwangsläufig eine weitere Respektlosigkeit erkennen. Seine Replik: „Im Lokal lasse ich mir schon lieber vom Kellner die Getränke bringen.“ Ja, manchmal können diese Pressetypen mit ihrer eindimensionalen Denke ganz schön nerven. Toni Kroos war froh, als diese dämliche PK vorbei war. Noch mehr Fragen von diesem Format hätte er wohl nicht ertragen. Er gibt eh die besten Antworten auf dem Platz.

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