Irakpolitik der USA: „Eine Sekte gegen die andere“

Die neue Irakpolitik von Präsident Obama steht im Gegensatz zu seiner bisherigen Linie. Es geht auch um Iraks Premierminister Nuri al-Maliki.

Düsteres Gesicht: Der US-Präsident, als er seine neue Irakpolitik im Weißen Haus vorstellt. Bild: ap

NEW YORK taz | 300 US-amerikanische „Militärberater“ sind der Anfang. Die ersten mehreren Dutzend von ihnen sind bereits unterwegs nach Bagdad und irakisch Kurdistan. Eingebettet in irakische Kommandostellen sollen sie von dort aus einerseits Washington über die Lage am Boden im Irak informieren, andererseits die irakische Arme beraten. Barack Obama sagt, dass es dabei bleiben werde, dass die USA keine Kampftruppen in den Irak schicken werden. Aber das Stichwort „no boots on the ground“, das seine Militärdoktrin ist, erwähnt er nicht.

Zusätzlich zu den „Militärberatern“ erwägt Barack Obama gezielte Schläge aus der Luft, eine Verstärkung der Waffenlieferungen an die irakische Armee und die Intensivierung der Überwachung des Irak aus bemannten und unbemannten Flugobjekten. Zusätzlich suchen die USA nach einer politischen Lösung in der Region. Außenminister John Kerry macht sich zu dem Zweck an diesem Wochenende auf eine Reise, die ihn nicht nur nach Bagdad, sondern auch in andere Haupstädte der Region sowie nach Europa führen wird.

Der US-Präsident hat ein düsteres Gesicht, als er seine neue Irakpolitik am Donnerstag Nachmittag im Weißen Haus vorstellt. Sie ist der krasse Gegensatz zu seiner bisherigen Vorgehensweise. 2002 war Obama einer der wenigen Spitzenpolitiker in den USA, die sich gegen eine Invasion des Irak aussprachen. Seine Wahl zum Präsidenten im Jahr 2008 verdankte er nicht zuletzt dieser klaren Linie. Nach acht Jahren Krieg zieht er 2011 die US-Soldaten ab.

Die Pläne kontrastieren auch mit Obamas bisheriger Politik gegenüber dem Bürgerkrieg in Syrien. Bislang hatte der US-Präsident Waffenlieferungen und US-Eingriffe aus der Luft abgelehnt. Jetzt sieht es so aus, als wollte es die US-amerikanische Spitze nicht mehr aussschließen, möglicherweise auch Ziele in Syrien aus der Luft ins Visier zu nehmen.

Obama und der Sicherheitsrat beraten eine Woche

Die Isis-Dschihadisten und die überraschende Implosion des zahlen- und ausrüstungsmäßig vielfach überlegenen irakischen Militärs haben die Lage im Irak schlagartig verändert. Obama berät eine Woche lang mit seinem Nationalen Sicherheitsrat – in dem sowohl US-Minister, als auch Geheimdienstchefs, als auch Militärs sitzen – über Optionen. Dabei geht es um vieles. Auch um den Ruf von Premierminister Nuri al-Maliki, der von den USA Luftangriffe gegen militärische Stellungen der Isis fordert.

Näher an Washington verlangen dieselben Republikaner, die 2002 auf der Basis erfundener Massenvernichtungswaffen den ersten Irak-Krieg durchgesetzt haben, größere militärische Einsätze. Einer der lautstärksten unter ihnen ist Ex-Präsidentschaftskandidat John McCain. Er macht nicht die kriegsbedingte Zerstörung des Irak und seiner sämtlichen Institutionen – inklusive Militär – sondern Obamas angeblich überstürzten Truppenabzug für die jetzige Lage verantwortlich.

Vor nicht einmal drei Jahren konnte Premierminister Maliki der Abzug der US-Truppen nicht schnell und komplett genug gehen. Eine Übergangslösung, bei der 10.000 US-Soldaten länger in seinem Land geblieben wären, lehnte er ab. Seit dem US-Abzug hat Maliki intensiv daran gearbeitet, die sunnitischen und kurdischen Gruppen von der Macht zu verdrängen.

Maliki zentraler Teil des Problems

Die US-Regierung betrachtet Premierminister Maliki als zentralen Teil des Problems, welches das Erstarken von Isis und dessen Unterstützung durch von der Macht verdrängte sunnitische Gruppen möglich gemacht hat. Präsident Obama sagt, dass es nicht Aufgabe der USA sei, die irakischen Führer auszuwählen. Aber dass die USA bereit seien „eine Sekte gegen die andere“ zu unterstützen. Das Wichtigste von allem, sagt der US-Präsident, nachdem er die US-Vorhaben für den Irak aufgelistet hat, sei, dass die irakische Führung aus allen Bevölkerungsgruppen zusammengesetzt sei.

Kurz nach der Ansprache des Präsidenten wiederholt ein hochrangiger US-Diplomat, der nicht namentlich genannt werden will, gegenüber Journalisten mehrfach, dass die Partei von Maliki bei den Wahlen nur 92 Sitze im Parlament bekommen habe, aber 160 brauche, um eine Regierung bilden zu können. Die US-Diplomatie will den Zeitraum bis zum 30. Juni, wenn nach der irakischen Verfassung die neue Regierung – inklusive Premierminister – stehen muss, für intensive Gespräche nutzen. Einen potenziellen Ersatzpremierminister statt für Maliki in Bagdad nennt Washington nicht.

Die Rolle des Iran, mit dem US-Diplomaten in dieser Woche erste kurze Kontakte zum Irak hatten, bleibt in Obamas Plan vage. „Der Iran kann eine konstruktive Rolle spielen“, sagt der US-Präsident. Aber er ist nicht überzeugt, dass Teheran diese Gelegenheit nutzen wird. Und er fügt warnend hinzu: „Wenn der Iran nur auf der Seite der Schiiten interveniert, verschlimmert das die Lage“.

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