Fête de la Musique in Berlin: Die Gema verdirbt den Spaß

Vor der diesjährigen Fête de la Musique fordert die Gema rund 4.000 Euro mehr Lizenzgebühren ein als kalkuliert – Geld, das die Veranstalter nicht haben.

Von wegen umsonst: So schön kann Musik unter freiem Himmel sein. Auf der Fete 2012. Bild: dpa

BERLIN taz | Punk, Klezmer, Posaunenchöre, all das und noch viel mehr wird es auch auf der diesjährigen Fête de la Musique zu hören geben. Auf sagenhaften 111 Bühnen wird in Spandau genauso wie in Friedrichshain musiziert und an Straßenecken und Hauseingängen noch dazu. Sogar bekannte Acts wie Element of Crime und Caribou wird man heute kostenlos erleben können. Die Fête de la Musique, die seit 1995 immer am 21. Juni zum Sommeranfang auch in Berlin stattfindet, ist eine wahre Erfolgsgeschichte und trotzdem sitzt die Fête-Organisatorin Simone Hofmann in ihrem kleinen Büro in Mitte und hat, ein paar Tage vor dem Fest, nur mittelprächtige Laune. Der Grund ist ein, so nennt sie das: „Hickhack mit der Gema“, der deutschen Verwertungsgesellschaft, die die Urheberrechte von Musikern vertritt.

Streitereien mit der Gema sind nichts Ungewöhnliches, einige Rechtsanwälte haben sich sogar auf sie spezialisiert. Jeder Kneipenbesitzer, der sein Etablissement mit Musik beschallt, hat sich schon mal mit der Organisation und deren Forderungen auseinandersetzen dürfen, die nur selten Begeisterungsstürme auslösen. Und als die Gema vor zwei Jahren eine umfassende Gebührenreform präsentierte, gingen Berliner Clubs auf die Barrikaden, manche drohten gar ganz zu schließen, weil sie die Erhöhung der Abgaben, die die Gema für sie ankündigte, unverschämt fanden.

In der Berliner Party- und Nachtlebenszene ist die Urheberschutzorganisation spätestens seit diesem Zeitpunkt ungefähr so beliebt wie die Fifa in einer Favela in Rio de Janeiro. Nicht wenige würden sogar sagen, im Vergleich zur Gema ist die Fifa eine vorbildlich geführte und transparente Organisation, der es kaum um eigene Interessen geht.

Dass die Gema zumindest aber ein schrecklich unflexibler Beamtenapparat ist, der einen mit schrecklich gespreiztem Beamtendeutsch traktieren kann, das lässt sich seit kurzem auf der Homepage der Fête de la Musique nachlesen. Simone Hofmann hat ihren Briefwechsel und Emailverkehr mit der Gema aus den vergangenen zwei Jahren, die die Auswirkungen der angedachten Gema-Gebührenreform auf ihre eigene Veranstaltung zum Inhalt haben, kurzentschlossen öffentlich gemacht. „Ich nehme das sportlich“, erklärt Simone Hofmann ihre Initiative, „und ich werde auch weiter mit der Gema diskutieren.“

Das Jubiläum: Die diesjährige Fête de la Musique ist die 20. Fête in Berlin. Gab es 1995 bei der ersten Ausgabe des aus Frankreich importierten Straßenfestivals, das zum kalendarischen Sommerbeginn am 21. Juni stattfindet, eine einzige feste Bühne mit acht Bands, sind es im Jubiläumsjahr etwa 110 in der ganzen Stadt. Es alle Stilrichtungen zu hören, von Straßenpunk über Chorgesang bis zu Klassik. Gespielt wird ab 16 Uhr, zur späteren Stunde feiert man die Fête de la Nuit. Das Programm findet sich unter www.fetedelamusique.de, eine App gibt's auch. Eintritt ist natürlich frei.

Die Prominenz: In diesem Jahr bestimmt Element of Crime. Die Berliner Chanson-Rocker spielen um 17 Uhr vor dem Kuchenkaiser auf dem Oranienplatz und wollen auch ein paar neue Songs vorstellen von ihrem neuen Album, das im Herbst erscheinen soll.

Der Fußball: Im Interkulturellen Garten City in Tiergarten (Kluckstr. 11) gibt es die Partie Deutschland - Ghana (21 Uhr) als Fußballkonzert mit dem erprobten Stummfilmmusiker Stephan Graf von Bothmer an den Keyboards. Und im Babylon Mitte (Rosa-Luxemburg-Str. 30) feiert man die Fête als Fête de la futebol mit allen Spielen des Abends, kommentiert von Anna Vavilkina an der Kinoorgel (wobei man im Babylon auch an den anderen WM-Tagen die Spiele samt Orgelzuspiel gucken kann). (tm)

Hofmanns wesentliches Problem ist, dass sie bei der Betreuung eines komplett von öffentlichen Geldern finanzierten Festivals Planungssicherheit braucht. Der Großteil der 84.000 Euro, über die sie verfügt, kommt vom Berliner Senat, ein kleinerer Teil von der Klassenlotterie, beantragt werden muss die Finanzierung lange vorher. Die Abgaben an die Gema wurden für dieses Jahr mit ungefähr 6.500 Euro bilanziert, der Schriftverkehr, den Hofmann veröffentlicht hat, lässt nachvollziehen, dass diese Einschätzung gut begründet ist.

Nun will die Gema aber dieses Jahr kurzfristig ungefähr 4.000 Euro mehr von der Fête de la Musique haben. Wie sie das begründet, lässt sich auch recht hübsch in dem Schriftverkehr nachlesen. Da ist dann viel die Rede von „Lizenzvergütungen“, „Best-Practice-Regelungen“ und ähnlichen Kauderwelschformulierungen, für die man ein abgeschlossenes Studium im Fach „Gema“ benötigt. „Sexy finde ich das alles auch nicht, aber wenn ich mitreden will, muss ich mich mit dem, von was da die Rede ist, auskennen“, sagt Simone Hofmann. Jedenfalls hat sie dieses geforderte Geld nicht und nachträglich kann sie beim Senat keine zusätzliche Förderung beantragen. Das ist die aktuelle Situation.

„Ich habe zur Gema gesagt: Ihr solltet euch doch freuen, wir machen Nachwuchsförderung“, erzählt Simone Hofmann, auf der Fête treten schließlich viele junge Talente auf, die später vielleicht einmal Gema-Mitglieder werden. Außerdem habe sie der Verwertungsgesellschaft mitgeteilt, dass das französische Pendant zur Gema bei den Fête-Veranstaltungen im Nachbarland gar keine Gebühren verlangen würde. Aber auch diese Argumente haben bislang nichts gebracht.

Überhaupt kann man sich nach dem Lesen der Gema-Schreiben nicht vorstellen, dass da plötzlich doch noch irgendeine unbürokratische Lösung des Konflikts hervorgezaubert wird. Da wird wahrscheinlich keiner sagen: Ach, herrlich, da treten Kinderchöre auf und selbst in den traurigsten Berliner Bezirken fangen sie an diesem einen Tag im Jahr gemeinsam das Musizieren an – also wollen wir doch einfach mal ein Schlupfloch finden für die Fête de la Musique.

Jetzt soll es erst mal trotz des Ärgers um das Eigentliche, um die Musik gehen, so Simone Hofmann, die einem noch schnell eine gerade reingekommene Presseerklärung des theaterpädagogischen Zentrums Kreativhaus rüberreicht, das kurzfristig auch noch an der Fête teilnimmt. Das Programm mit einer Schüler-Brassband und dem Auftritt einer Harfenistin findet Simone Hofmann ganz rührend.

Das Wetter, das über den Erfolg einer Fête de la Musique mitentscheidet, soll heute zumindest auch nicht durchgehend schlecht sein.

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