Was bleibt von der Kanzlerin?: La Merkel, die Matriarchin

Angela Merkel wird 60! Und alle reden über sie. Aber was wird von ihr bleiben? Unsere EU-Korrespondenten blicken in die Geschichtsbücher von morgen.

Ihr Konzept der 'matriarchalen Monarchie' erläuterte Merkel erstmals 2024, an ihrem 70. Geburtstag. Bild: dpa

Das Mädchen

Deutsche Politikerin des frühen 21. Jahrhunderts und Ehrenspielführerin der deutschen Fußball-Nationalmannschaft. Unter ihrem Bühnennamen „Angela Merkel“ wurde sie 2005 Bundeskanzlerin und perfektionierte das von der britischen Premierministerin Margaret Thatcher eingeführte „Handbagging“ – das Ausschalten politischer Gegner. „Merkel“ wählte allerdings die Freestyle-Variante ohne Handtasche.

Ihr Lieblingsopfer war David Cameron, kurzzeitig britischer Premierminister, der nach den verlorenen Wahlen 2015 in der Versenkung verschwand. Er gab „Merkel“ die Schuld an der Niederlage, da sie ihn mit ihrer europäischen Integrationspolitik in den Wahnsinn getrieben hatte, bis er im April 2015 kurz vor den Wahlen zur → United Kingdom Independence Party (Ukip) übertrat.

Das Mädchen wird auch dafür verantwortlich gemacht, dass Großbritannien nach dem Referendum 2017 aus der EU austrat. Im Sommer 2017 nahm sie Englischunterricht bei der britischen Rapperin Speech Debelle und sagte kurz darauf in ihrem ersten auf Englisch geführten BBC-Interview den Satz „Who needs the fucking Brits anyway“, der ihr von der Rapperin als „freundliche englische Begrüßungsformel“ beigebracht worden war.

Nach ihrem Rücktritt 2044 im Alter von 90 Jahren zog sich das Mädchen auf Windsor Castle zurück, das ihm von der Bundesregierung zur Verfügung gestellt worden war. Nach Königin Elisabeths Tod und der → Vertreibung von Prinz Charles 2030 hatte das Schloss leer gestanden und war von der Ukip-Regierung schließlich an Deutschland verkauft worden, um den Haushalt zu sanieren. „Merkel“ starb dort 2054, umgeben von einer Herde Corgis, die sich nach Elisabeths Tod unkontrolliert vermehrt hatten. (von Ralf Sotscheck, Dublin)

Die Besungene

Die Wahl von „la Merkel" weckte in Spanien Hoffnungen auf eine neue Blütezeit der Beziehungen, wie einst unter Helmut Kohl und Felipe González. Doch anders als der katholische Kohl wurde die protestantische Kanzlerin Merkel durch ihren harten Kurs gegenüber Südeuropa in der Eurokrise schnell zum Inbegriff der „hässlichen Deutschen".

2011 löste sie einen Sturm der Entrüstung aus, als sie demagogisch erklärte: „Wir können nicht eine Währung haben, und der eine kriegt ganz viel Urlaub und der andere ganz wenig.“ Es gehe nicht nur darum, keine Schulden zu machen: „Es geht auch darum, dass man in Ländern wie Spanien nicht früher in Rente gehen kann als in Deutschland, dass alle sich auch ein wenig gleich anstrengen – das ist wichtig.“

Auf den Protesten gegen die Sparpolitik war Merkel fortan Ziel des Volkszorns. Bilder, die sie mit einem Hitlerbärtchen zeigen, wurden ebenso populär wie Merkel als Domina, die ihren spanischen Amtskollegen, den ebenfalls konservativen Mariano Rajoy, züchtigt.

Der Liedermacher Alejo Stivel wurde mit einem Lied an die Bundeskanzlerin populär. Er nahm den Song „Ójala“ („Hoffentlich“) des kubanischen Künstlers Silvio Rodríguez zusammen mit Lehrern, Krankenhauspersonal, Immigranten, Rentnern erneut auf.

Im Lied, das ursprünglich die Enttäuschung über Revolutionsführer Castro zum Ausdruck brachte, heißt es zu Bildern von Protesten, Zwangsräumungen und Polizeieinsätzen im Wechsel mit einer lächelnden Merkel: „Hoffentlich berühren die Blätter deinen Körper nicht, wenn sie fallen, sodass du sie nicht in Glas verwandeln kannst. Hoffentlich vergehen dein stetiger Blick, das perfekte Lächeln. Hoffentlich passiert etwas, was dich plötzlich auslöscht, ein blendendes Licht, ein Schuss aus Schnee, hoffentlich nimmt mich der Tod mit, damit ich dich nicht so oft sehe ....“ (von Reiner Wandler, Madrid)

Die Polnische

In Angela Merkels Regierungszeit verbesserten sich nicht nur die deutsch-amerikanischen Beziehungen, sondern auch die deutsch-polnischen – und dies in einem zuvor kaum für möglich gehaltenen Maße. Anders als ihr Vorgänger Gerhard Schröder sprach Merkel zwar hervorragend Russisch, pflegte aber keine enge Freundschaft zu Putin.

Zwar sorgte das Bild von Zarin Katharina II., das sie im Kanzleramt aufhängte, zunächst für eine gewisse Konsternation in Polen, doch Merkel gewann die Sympathien rasch zurück.

Schon als Studentin war sie in Polen und lernte dabei die Gewerkschafts- und Freiheitsbewegung Solidarność kennen. Zudem hat Angela Merkel polnische Wurzeln. Der Großvater väterlicherseits, Ludwig Kazmierczak (1896-1959), stammte aus Poznan/Posen. 1915 wurde er zur deutschen Armee eingezogen, kämpfte aber schon bald in der Józef-Haller-Armee auf der anderen Seite der Front. 1923 zog er mit seiner Verlobten nach Berlin. Hier deutschte er den Namen der Familie in Kasner ein.

Da Horst Kasner, der Vater Merkels, später Herlind Jentzsch aus dem damaligen Danzig heiratete, hat Angela Merkel auch zur Ostseestadt Gdansk besondere Beziehungen.

Es ist ihr hoch anzurechnen, dass sie 2009 zum 70. Jahrestag des Kriegsbeginns auf der Westerplatte an die sechs Millionen Menschen erinnerte, die die Deutschen in Polen während der Nazi-Besetzung ermordeten.

Unter Merkel führte der Ausbau der trilateralen Zusammenarbeit zwischen Polen, Frankreich und Deutschland im sogenannten Weimarer Dreieck zu einer stärkeren Einbindung Polens in die Strukturen von EU und Nato. Unklar blieb ihre Position zu den Vertriebenen, deren Funktionäre die deutsch-polnischen Beziehungen immer wieder auf eine harte Probe stellten. (von Gabriele Lesser, Warschau)

Die Vorgängerin

Die letzte Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland war Angela Merkel. Sie wurde 1954 in der BRD geboren, in der DDR ausgebildet und begann 1989 damit, das Königinnenreich Deutschland zu jenem Land zu formen, wie wir es heute kennen.

Die Idee, die parlamentarische Demokratie in unsere heutige matriarchale Monarchie umzuwandeln, entstand bei einem Festvortrag anlässlich Angela Merkels 70. Geburtstag im Haus ihrer Partei in Berlin.

Nachdem die Festrednerin, die heutige Königin Ursula II., die Vorzüge der matriarchalen Monarchie umfassend dargelegt hatte, löste sich die Partei spontan auf.

Nur drei Wochen später, am 7. August 2024, gab auch die andere verbliebene Partei ihre Auflösung bekannt und bekannte sich zu treuem Untertanentum. Angela I. wurde somit die erste Monarchin.

2026, zwei Jahre nach ihrer Krönung, übertrug sie die Regierungsgeschäfte an Ursula II. Anschließend zog sie sich zurück auf ihre Liegenschaften in der Uckermark, wo sie noch heute mit ihrem Gatten Prinz Joachim lebt.

Dort arbeitet sie derzeit an ihrem zweiten Kartoffelsuppen-Rezeptbuch. Am alljährlichen Königinnen-Tag, dem schon erwähnten 7. August, nimmt sie im nahen Templin die Feuerwehrparade ab. Bitten, ihre privaten und politischen Erinnerungen zu Papier zu bringen, lehnt sie mit dem Hinweis ab, in ihrem Alter beabsichtige sie nicht mehr, „Neuland“ zu betreten. (von Anja Maier, Berlin)

Die Unküssbare

1954 geboren in Hamburg und aufgewachsen in der DDR. Nach der Wiedervereinigung Deutschlands wurde Merkel als Schützling des früheren Bundeskanzlers Helmut Kohl eine christdemokratische Politikerin. Seit 2000 war sie Vorsitzende ihrer Partei, der CDU, und seit 2005 Regierungschefin in wechselnden Koalitionen.

Erst seitdem wurde sie auch in Frankreich wahrgenommen. Als Kanzlerin hat sie sich stets für die deutsch-französische Freundschaft ausgesprochen, aus französischer Sicht aber vor allem deutsche Wirtschaftsinteressen vertreten. Ihre harte Sparpolitik ließ in Frankreich rechtspopulistische Kritik an der EU und am Euro erstarken. Die von ihr geteilte Ideologie des starken Euro wurde von einem großen Teil der französischen Linken für die Probleme der heimischen Exportindustrie verantwortlich gemacht.

Politische Vorstöße aus Paris wie Nicolas Sarkozys Initiative für eine „Mittelmeerunion" oder sein Versuch, Deutschland für eine maßgebliche Beteiligung an der militärischen Auslandsoperation in Libyen zu gewinnen, stießen bei Merkel auf Ablehnung.

Ausdruck der Schwäche der Pariser Staatsführung gegenüber Berlin war während der Präsidentschaft Sarkozys der Karikaturbegriff „Merkozy“. In Frankreich amüsierte es, dass sich die protestantische Merkel anfänglich vom überschwänglichen Sarkozy nicht küssen lassen wollte.

Nach der Wahl von François Hollande zum Präsidenten 2012 blockte Merkel den französischen Versuch ab, den Stabilitätspakt mit einer ebenso verbindlichen und effektiven Wachstumspolitik durch Eurobonds zu ergänzen. Ab 2014 setzten die französischen Sozialisten Hoffnungen auf eine Annäherung, als die Sozialdemokraten in eine Große Koalition mit Merkels Christdemokraten gingen. (von Rudolf Balmer, Paris)

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