Kommentar Zschäpes Anwälte: Letzter Ausweg Reden

Es herrscht Aufregung nach der Lossagung Beate Zschäpes von ihren Anwälten: Wird sie nun ihr Schweigen brechen? Es wäre der einzig richtige Schritt.

Wie lange schweigt sie noch? Beate Zschäpe. Bild: dpa

Noch bis 14 Uhr am Donnerstag hat Beate Zschäpe Zeit, ihre Beweggründe zu erläutern, warum sie dem NSU-Prozess in München eine radikale Wendung bescherte. Warum sie, für alle unvorhergesehen, plötzlich ihren Verteidigern das Misstrauen ausgesprochen hat.

Bisher lässt sich über Zschäpes Motive nur spekulieren. Am häufigsten wird vermutet, dass die Angeklagte – gegen das Anraten ihrer Anwälte – ihr Schweigen brechen möchte. Immerhin hatte Zschäpe schon bei ihrer Festnahme im November 2011 gesagt, sie habe sich nicht gestellt, um zu schweigen. Eine Aussage von ihr würde den Prozess komplett verändern. 14 Monate wurde bisher über die zehnfache NSU-Mordserie verhandelt, mehr als 270 Zeugen wurden gehört – mit einer Konstante: dem Schweigen Zschäpes. Dieses jetzt aufzugeben, wäre der einzig richtige Schritt.

Denn inzwischen summieren sich die Aussagen, die die Angeklagte belasten. Frühere Weggefährten schilderten sie als „gleichberechtigten“ Teil des Terroristentrios, vom Rechtsextremismus überzeugt und auch bereit, bei „Aktionen“ mitzumischen. Längst hat sich ein Bild verfestigt: das der resoluten Managerin des Trios, die ihre Uwes im Griff hatte. Bleibt es dabei, dürfte einer sehr langen Haftstrafe wenig im Wege stehen.

Für Zschäpe würde es also durchaus Sinn machen, ihre Version der Geschichte zu erzählen. Leicht aber würde das nicht. Denn jetzt, knapp drei Jahre nach Ende des NSU, zu beteuern, nichts von den Morden ihrer beiden Weggefährten gewusst und dies bisher nur nicht gesagt zu haben – es dürfte kaum überzeugen.

Dennoch könnte das Gericht ihre Aussagen würdigen. Denn noch immer sind Fragen offen, die womöglich nur Zschäpe beantworten kann. Wann entschlossen sich die drei, mit dem Morden zu beginnen? Gab es weitere Helfer des Trios? Wie wählten sie ihre Opfer aus? Und wie passt der Mord an der Polizistin Michèle Kiesewetter in die Serie?

Und es wäre auch eine wohlwollende Geste gegenüber den Angehörigen der Opfer, die erst jahrelang unter falschen Verdächtigungen zu leiden hatten – und noch immer leiden, weil sie im Gerichtssaal eine Frau erleben, die reglos bleibt, egal wie detailliert die Exekutionen aufgearbeitet werden. Die nur versuchen können, dieses unbewegte Gesicht zu deuten: Ist da Bedauern, Gleichgültigkeit, oder vielleicht Genugtuung? Bräche diese steinerne Fassade endlich auf, würde allein das den Hinterbliebenen helfen.

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Redakteur für Themen der "Inneren Sicherheit" im taz-Inlandsressort, seit 2014. Von 2022 bis 2024 stellvertretender Ressortleiter Inland. Bis 2014 vier Jahre lang Teil des Berlin-Ressorts der taz. Studium der Publizistik und Soziologie.

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Rechtsextreme Terroranschläge haben Tradition in Deutschland.

■ Beim Oktoberfest-Attentat im Jahr 1980 starben 13 Menschen in München.

■ Der Nationalsozialistische Untergrund (NSU) um Beate Zschäpe verübte bis 2011 zehn Morde und drei Anschläge.

■ Als Rechtsterroristen verurteilt wurde zuletzt die sächsische „Gruppe Freital“, ebenso die „Oldschool Society“ und die Gruppe „Revolution Chemnitz“.

■ Gegen den Bundeswehrsoldaten Franco A. wird wegen Rechtsterrorverdachts ermittelt.

■ Ein Attentäter erschoss in München im Jahr 2016 auch aus rassistischen Gründen neun Menschen.

■ Der CDU-Politiker Walter Lübcke wurde 2019 getötet. Der Rechtsextremist Stephan Ernst gilt als dringend tatverdächtig.

■ In die Synagoge in Halle versuchte Stephan B. am 9. Oktober 2019 zu stürmen und ermordete zwei Menschen.

■ In Hanau erschoss ein Mann am 19. Februar 2020 in Shisha-Bars neun Menschen und dann seine Mutter und sich selbst. Er hinterließ rassistische Pamphlete.

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