Reaktionen auf Eskalation in Nahost: Stellvertreterkrieg mit Worten

Der Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern wird auch in Berlin ausgetragen: zum Glück meist friedlich, allerdings mit Parolen teilweise an der Grenze zur Straftat.

Palästinenser und Sympathisanten bei einer Demo in Berlin gegen die Angriffe auf Gaza Mitte Juli. Bild: dpa

Eine Mauer trennt Israel von Palästina. In Berlin ist es an diesem Donnerstagabend ein Zaun, der eine proisraelische Kundgebung auf dem Joachimstaler Platz vor Gegendemonstranten schützen soll. Anders als im Nahen Osten sterben in Charlottenburg keine Menschen, und doch sind einmal mehr Hunderte emotional Verletzte zu beklagen. Wüste Beschimpfungen, Gebrüll, Drohgebärden – über den Zaun fliegen verbale Raketen.

Am Donnerstag haben etwa 350 Menschen bei der von mehreren jüdischen Gruppen organisierten Kundgebung ihre Solidarität mit Israel gezeigt. Weil gleichzeitig eine nicht angemeldete Demonstration mit rund 250 vorwiegend jungen Palästina-Sympathisanten Richtung Platz marschierte, sicherte die Polizei die Kreuzung mit einem Großaufgebot ab.

Berlins Straßen sind – wieder einmal – ein Brennspiegel des wieder zugespitzten Nahostkonflikts: Am vergangenen Wochenende hatten palästinensische Demonstranten versucht, die Fanmeile auf der Straße des 17. Juni zu stürmen, am Dienstag war eine propalästinensische Demonstration durch Kreuzberg gezogen. Auch am Donnerstag versuchen sie, der proisraelischen Kundgebung und deren Zetern gegen die Hamas ihre Wut über das militärische Vorgehen Israels entgegenzusetzen. Ein Stellvertreterkrieg mit Worten.

„Wenn in Nahost geschossen wird, schwappt das hier rüber“, sagt Eliott. Der 22-Jährige steht diesseits des Zauns, er trägt eine Israelflagge um den Hals. Ihn ärgere es, dass seine Freunde auf Facebook so negativ über Israel reden würden. Deswegen gehe er auf die Straße, um Flagge zu zeigen. Er demonstriert gegen die Hamas und für einen wehrhaften israelischen Staat.

Etwa 50 Meter weiter, jenseits des Zauns, skandieren andere: „Tod Israel“ und: „Jude, Jude, feiges Schwein, komm heraus und kämpf allein“. Levi Salomon vom Jüdischen Forum für Demokratie und gegen Antisemitismus fordert deshalb ein strikteres Eingreifen von Staat und Zivilgesellschaft. Er vermutet, dass es in Berlin bei den Unterstützern Palästinas viele radikale Orientierungen gibt.

„Das sind Einzelgänger, die unsere Ansichten nicht vertreten“, sagt hingegen Ali Maarouf, Generalsekretär der palästinensischen Gemeinde in Berlin. Er verspricht, dass man darauf aufpassen werde, dass bei von der Gemeinde mitorganisierten Protestaktionen – etwa am gestrigen Freitagabend – keine Hetze stattfinde. Er weist aber darauf hin, dass viele Demos nicht von palästinensische Gruppen, sondern durch andere lose organisierte Initiativen über soziale Netzwerke organisiert werden.

Genau das scheint der Berliner Polizei Probleme zu bereiten. Beim versuchten Sturm der Fanmeile sei man von Richtung und Größe des Aufzugs überrascht gewesen, gesteht Polizeisprecher Stefan Redlich. Nicht äußern wollte er sich zur Frage, ob die Polizei den Schutz jüdischer Einrichtungen in Berlin angesichts der Offensive im Gazastreifen verstärke. Fest steht nur: Der Konflikt in Nahost wird die hiesige Polizei weiterbeschäftigen.

Auch am Donnerstagabend dauert der Streit lange: Nach dem Ende der proisraelischen Kundgebung stehen Gruppen auf beiden Seiten des Zauns und führen die Wortgefechte fort. Erst auf Drängen der Polizei endet die Auseinandersetzung.

Minuten später ist der Zaun abgebaut. Ein propalästinensischer Teenager fragt ein Mädchen von der anderen Seite nach ihrer Handynummer. Er bekommt aber nur ein verlegenes Lächeln. Immerhin: Es ist noch das versöhnlichste Zeichen an diesem Abend.

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