Kolumne Der Rote Faden: Wer Lolcats sät, wird Lolcats ernten

Die von der Bundesregierung vorgestellte „Digitale Agenda“ ist eine einzige Enttäuschung. Am Ende sind die Algorithmen schuld.

Eine Filterblase (englisch: filter bubble)? Oder doch nur ganz analog eine Seifenblase? Bild: reuters

Man kann Algorithmen ja sicherlich einiges vorwerfen: Aber an einem sind sie bestimmt nicht Schuld – daran, dass niemand, der nicht aus beruflichen Gründen musste, Lust hatte, sich mit dieser öden Digitalen Agenda der Bundesregierung zu beschäftigen.

Liest man die packenden Berichte von der dazugehörigen Pressekonferenz, dann ist es fast so, als wollten die drei Minister de Maizière, Dobrindt und Gabriel das Internet endlich mal aus den Schlagzeilen rausholen. Natürlich ist dieses Papier netzpolitisch so enttäuschend und vorbei an fast allem Wünschenswertem, wie die Netzpolitik der Regierungsparteien eben insgesamt. Was niemanden überraschen dürfte.

Was einen daran wirklich aufregen sollte, ist, wie gut die CDU inzwischen darin geworden ist, jede ernsthafte digitalpolitische Diskussion schon im Keim zu ersticken, indem man einfach ein lustiges Bonmot prägt und damit von den Inhalten ablenkt. Was Merkel ihr „Neuland“, das ist nun de Maizières „Hausaufgabenheft“ – als solches wollte er dieses ganze Agenda-Ding nämlich verstanden wissen.

Anderswo waren Algorithmen aber mal wieder an allem Schuld. Die der Sozialen Netzwerke nämlich. Twitter und Facebook hatten es eh schon mal muggeliger als dieser Tage: Noch vor wenigen Jahren als Revolutionsmacher gefeiert, hatte man sich gerade aus der Diskussion um Experimente am lebenden Nutzer rausgemogelt, da dräut schon wieder der neue Vorwurf: Frisieren der Berichte über #Ferguson. Bei Twitter sei das Thema viel schneller in den Trending Topics gelandet als es bei Facebook hochgespült wurde, ärgerten sich Nutzer.

Twitter als Good Cop, Facebook als Bad Cop

Eine tolle Geschichte, um endlich mal gut zu erklären, wie mächtig Soziale Netzwerke als Gatekeeper sind, wie abhängig wir von ihren Annahmen, was uns interessieren könnte: Würde der Facebook-Algorithmus ein lokales Ereignis wie die Unruhen in Ferguson künstlich kleinhalten, bekämen viele Nutzer davon keinen Wind.

Eli Pariser hat über die Filterblasen, die Google, Facebook und andere um uns ziehen, schon vor Jahren ein Buch geschrieben. Trotzdem ist laut einer US-Studie nicht einmal vielen Studenten bewusst, dass Facebook ihre Timelines kuratiert. An Ferguson könnte man auch wenig Technikbegeisterten erklären, warum wichtig ist, wie Algorithmen unsere Timelines verändern.

Wenn es nicht doch mal wieder komplizierter wäre. Twitter als Good Cop, Facebook als Bad Cop, das stimmt so auch nicht. Auch Twitters Trending Topics sind personalisiert, basieren auf Algorithmen, auf Auswertungen darüber, von wo auf der Welt wir mitlesen, wem wir folgen.

Wenn Tweets, Videos und Posts über #grumpycat mir auf Facebook, Youtube oder Twitter prominenter angezeigt werden als News über #Ferguson, dann spiegelt das auch wieder, was mich interessiert, welche Links ich anklicke, welche Nachrichten ich like. Wer Lolcats sät, wird Lolcats ernten. Das zu wissen ist Grundstein digitaler Medienkompetenz. Das eigentliche Problem ist jedoch nicht, dass kuratiert wird, sondern, dass wir nicht wissen, wie genau. Klar ist nur, dass die Anbieter uns Nutzer irgendwo zwischen Versuchskaninchen und Werbebetrachervieh sehen.

IS-Propaganda verbreitet

Einen weiteren Schritt in Richtung Meinungsschneiderei hat Twitter in dieser Woche auch mit seiner Entscheidung getan, aktiv alle Bilder und Links zu tilgen, die auf das Video von der Ermordung des US-Journalisten Foley durch die Islamistenmiliz IS verlinken und Nutzer rauszuwerfen, die dies wiederholt posten.

So abscheulich dieses Video ist, so wichtig die Haltung vieler Medien zur der Weiterverbreitung von IS-Propaganda, stellt sich hier die Frage: Will, soll und darf das soziale Netzwerk tatsächlich entscheiden, welche Inhalte gepostet werden dürfen? Urteilen, was zu abscheulich, zu falsch ist?

Das Problem daran: Greift Twitter in einem Fall inhaltlich ein, dürften weitere folgen. Weil damit die Neutralität der Plattform aufgegeben wird, werden weitere Begehrlichkeiten, einzugreifen, nicht ausbleiben.

Bislang haben Soziale Netzwerke gut daran getan, sich politisch weitgehend rauszuhalten. Gerade dass sie bei den Aufständen im Iran und Ägypten ungefilterte Nachrichtenquelle wurden, hat ihnen einen guten Ruf beschert. Gut, über das prüde Zensieren jedes Nippels auf Facebook reden wir mal nicht, auch nicht über die Millionen Löschanträge bei Google wegen Urheberrechtsverletzungen und ja, diesen Zirkus damals, als Assange Diplomatendepeschen veröffentlicht hatte, gab es auch. Aber: Werden soziale Netzwerke künftig empfänglicher für Bitten aus dem Weißen Haus, bestimmte Inhalte von ihren Plattformen zu verbannen? Und was wäre dann mit Berichterstattung über die NSA oder Whistleblower?

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.