Degrowth-Konferenz in Leipzig: Kuschelkurs mit den Mächtigen

Etablierte NGOs und Gewerkschaften haben ihre Schwierigkeiten mit dem Begriff Postwachstum und der Degrowth-Konferenz in Leipzig.

Immer mehr Briefe gleich Postwachstum? So war das nicht gemeint. Bild: ap

LEIPZIG taz | Wie reagieren etablierte Verbände wie der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) oder Gewerkschaften auf die Postwachstumsdebatte? Und warum fällt vor allem Gewerkschaften eine Konfrontation mit dem Thema oft schwer? Mit diesen Fragen setzten sich auf einer der zahlreichen Veranstaltungen der Degrowth-Konferenz in Leipzig am Mittwoch Vertreter von NGOs auseinander.

„Wir brauchen einen offenen Blick dafür, was außerhalb der etablierten Szene passiert. Neid und Konkurrenzdenken bringen uns hier nicht weiter. Wir müssen mit den neuen und dynamischen Bewegungen kooperieren“, so Angelika Zahrnt, Ehrenvorsitzende des BUND im Hinblick auf neue Graswurzelbewegungen wie Degrowth. Gleichzeitig müsse man aber anerkennen, dass große NGOs wie etwa die deutschen Umweltverbände nicht „zu allumfassenden Thinktanks werden“ könnten.

Georg Stoll, Referent für Entwicklungspolitik beim katholischen Hilfswerk Misereor, sagte, es sei schwierig für etablierte Organisationen, vorherrschende Überzeugungen in der Politik zu kritisieren, da sie immer auch in einem Abhängigkeitsverhältnis zu Geldgebern stehen. „Das ist eine Gratwanderung“, so Stoll, denn einerseits müsse man sich auf die Politik einlassen, um politische Veränderungen anzustoßen – und andererseits verliere man dadurch oft an Radikalität und gerate allzu leicht in einen „Kuschelkurs mit den Mächtigen“.

Selbstverständlich ist es nicht so, dass Postwachstum als Kapitalismus- und Gesellschaftskritik in allen etablierten Organisationen Konsens wäre. Es erschließt sich nicht auf den ersten Blick, wie beispielsweise Entwicklungszusammenarbeit oder die Arbeit von Gewerkschaften mit dem Ideal einer schrumpfenden Wirtschaft zusammengehen.

„Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität“

Im Gegenteil: Wirtschaftswachstum in sogenannten Entwicklungsländern wird meist als positiv angesehen, solange es „nachhaltig“ ist. Die Schließung einer Produktionsstätte wird bei Gewerkschaften außerdem selten bejubelt. Zahrnt kritisiert entsprechend die unterschwellige Forderung bei dem Kongress, jede Organisation solle sich zu Degrowth bekennen: „Postwachstum darf nicht beliebig werden, nicht jeder Verband ist für Postwachstum.“

Norbert Reuter, Sekretär bei der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di und sachverständiges Mitglied der Enquetekommission „Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität“, betont, dass das Kernthema von Gewerkschaften eben nicht Umweltthemen seien. Dennoch komme das Thema Postwachstum langsam auch dort an. Dabei sei aber wichtig zu beachten, dass „etablierte Großorganisationen von der Mitgliedschaft getragen werden. Sie können nur so weit gehen, wie die Mitglieder dazu bereit sind.“

Es sei nicht einfach, Gewerkschaftsmitgliedern zu vermitteln, dass beispielsweise der Verlust von Arbeitsplätzen auch eine positive Sache sein könnte, so Reuter weiter. Genau damit aber werde das Schrumpfen der Wirtschaft nach wie vor oft in Verbindung gebracht.

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