Ausverkauf: Die Seeschlacht in Stormarn

Hamburg will den Großensee in Schleswig-Holstein, ein Erbe der Nazis, verkaufen. Damit belastet die Metropole die gut nachbarschaftlichen Beziehungen in ihr Umland.

Beliebt zum Baden, auch bei vielen Hamburgern aus den östlichen Stadtteilen: das Freibad von Großensee am Großensee. Bild: dpa

HAMBURG taz | Die Frage ist rhetorisch gemeint: „Was wäre Großensee ohne den Großensee?“, fragt Bürgermeister Karsten Lindemann-Eggers. Und schlägt auch gleich eine Antwort vor: „Wie Hamburg ohne Außenalster.“ Der Vergleich ist erstens zutreffend, und zweitens ist eben diese Metropole westlich von Großensee gerade kräftig dabei, sich im Umland viele Sympathien zu verscherzen. Denn Hamburg will den Großensee verkaufen, den die Stadt seit 1937 besitzt (siehe Kasten) – und provoziert damit einen Kampf David gegen Goliath.

Mehr als eine Million Euro will Hamburg für den beliebten Bade und Angelsee im schleswig-holsteinischen Kreis Stormarn haben und bringt damit die Gemeinde Großensee in Bedrängnis. „Wenn da irgendein Investor kommt und mit dem See Schindluder treibt, stehen wir dumm da“, sagt der Bürgermeister von der Wählerinitiative Bürger für Großensee (BFG), die neun der 13 Sitze im Gemeinderat stellt. Am Donnerstag will der Gemeinderat darüber entscheiden, ob er ein Kaufangebot abgibt. „Eigentlich aber“, sagt Lindemann-Eggers, „können wir uns das gar nicht leisten.“

Ende Juli hatte die Hamburger Finanzbehörde, die für die Liegenschaften der Stadt zuständig ist, ein Bieterverfahren für den See eröffnet und das Mindestgebot auf 1,115 Millionen Euro festgelegt. „Der See hat keinen ökonomischen Nutzen mehr für Hamburg“, erklärt Behördensprecher Daniel Stricker, „deshalb wollen wir ihn verkaufen.“ Mit dem Groß-Hamburg-Gesetz der Nazis kam 1937 die damals preußische Stadt Wandsbek zu Hamburg, und zu der gehörte als Trinkwasserreservoir der 30 Kilometer entfernte Großensee.

1989 stellten die Hamburger Wasserwerke dort die Förderung ein, der See wurde an die Gemeinde verpachtet, die Nutzungsrechte für ein Freibad und zum Angeln vergab. In heißen Sommern verdient Großensee 40.000 bis 50.000 Euro mit dem Großensee – und das sieht Lindemann-Eggers nun in Gefahr. Die Privatisierung von Seen im nahen Mecklenburg-Vorpommern habe dort dazu geführt, dass Investoren Zäune um die Seen gezogen und Badeverbote verhängt hätten, auch privat betriebene Wasserskianlagen seien entstanden. Für den Bürgermeister ist das ein Schreckgespenst: „Das wollen wir verhindern.“

Großensee ist der Name des größten Sees im schleswig-holsteinischen Kreis Stormarn und der anliegenden Gemeinde.

Das Gewässer: Der glaziale Rinnensee aus der Weichseleiszeit (bis etwa 10.000 v. Chr.) ist ein längliches und schmales Gewässer von 73 Hektar Größe und 5,8 Kilometern Umfang. Er ist ein beliebtes Naherholungsgebiet, Badesee und Angelgewässer. Über mehrere kleine Bäche entwässert er über die Bille in die Elbe.

Die Gemeinde: Großensee hat etwa 1.700 Einwohner und gehört zum Amt Trittau. Wegen seiner reizvollen landschaftlichen Lage ist Großensee beliebter Wohnsitz prominenter Villenbesitzer wie der Hamburger Ehrenbürger und Mäzene Helmut und Hannelore Greve.

Deshalb lasse Großensee juristisch prüfen, „ob wir ein Vorkaufsrecht beanspruchen können“. Zudem will Lindemann-Eggers die Karte des Naturschutzes spielen. Der See ist nach EU-Recht als Flora-Fauna-Habitat eingestuft, und deshalb seien kommerzielle Nutzungen zumindest in großem Umfang unvorstellbar.

Und um ganz sicher zu gehen, will die Gemeinde am Donnerstag mit dem Aufstellen eines neuen Bebauungsplans beginnen, sagt der Bürgermeister. Die Wasserfläche gehöre zwar Hamburg, dennoch sei der See „keine Exklave, sondern gehört planerisch zur Gemarkung Großensee“. In dem neuen Plan solle deshalb eine reine Nutzung als Naherholungsgebiet festgeschrieben werden: das Freibad, der Campingplatz und das See-Restaurant bekämen Bestandsschutz und Nutzungsrechte, anderweitige Interessen würden ausgeschlossen. Fraglich wäre, so die Hoffnung, ob Hamburg dann noch einen auf Rendite schielenden Investor fände.

„Der See ist als Spekulationsobjekt völlig ungeeignet“, glaubt hingegen Stricker von der Hamburger Finanzbehörde. Ein neuer Besitzer müsste die bestehenden Pachtverträge übernehmen, es sei „auch im Hamburger Interesse, den See als Naherholungsgebiet zu erhalten“, versichert er.

Dann hätte der große Nachbar im Sinne guter Beziehungen doch zunächst nur Großensee den Großensee anbieten sollen, statt das Gewässer auszuschreiben, findet Lindemann-Eggers. Eine Bürgerversammlung vor zwei Wochen habe eine Präferenz für den Kauf ergeben. Bis zum 26. September müsse die Gemeinde ein Angebot abgeben – sonst, so die Angst der Großenseer, gräbt ihnen am Ende ein neuer Eigentümer das Wasser ab.

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