Jugendarbeitslosigkeit in Europa: Mehr Geld oder Geld erst ausgeben?

Merkel und Hollande bleiben bei Strategien gegen die Jugendarbeitslosigkeit in Europa uneinig. Frankreichs Präsident geht auf Distanz zu Deutschland.

„Nein“ – „doch“ – „nein“ – „doch“: Hollande und Merkel in Mailand. Bild: Reuters

MAILAND afp | Deutschland und Frankreich sind sich uneinig, wie die Arbeitslosigkeit in Europa bekämpft werden soll. Der französische Präsident François Hollande forderte am Mittwoch auf einem EU-Beschäftigungsgipfel in Mailand Milliarden zusätzliche Euro. Merkel pochte hingegen auf die Umsetzung beschlossener Programme. „Es ist im Augenblick nicht eine Frage dass das Geld nicht reicht, sondern im Moment ist es eine Frage, dass das Geld erst einmal fließt“, erklärte Merkel.

Fast 25 Millionen Männer und Frauen in der EU haben keinen Job – darunter fünf Millionen Jugendliche. „Die Beschäftigungslage in Europa ist nach wie vor angespannt“, sagte EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD). „Die Jugendarbeitslosigkeit ist eines der dramatischsten und bedrückendsten Phänomene unserer Tage.“ Doch über das richtige Gegenmittel herrscht Uneinigkeit.

„Es gibt sechs Milliarden Euro, die auf europäischer Ebene für zwei Jahre freigegeben wurden, das ist zu wenig“, sagte Hollande. Die EU-Kommission müsse in den kommenden fünf Jahren „20 Milliarden Euro einsetzen können“. Merkel lehnte dies ab, während Hollande auf einer gemeinsamen Pressekonferenz neben ihr saß. Sie will stattdessen die Nutzung der bereit stehenden Mittel erleichtern. „Wir müssen selbstkritisch feststellen, dass die Mittel nicht in ausreichendem Maße abgerufen oder in konkreten Projekten umgesetzt werden“, bemängelte auch Schulz.

Der wegen der schlechten wirtschaftlichen Lage seines Landes immer stärker unter Druck stehende französische Präsident ging auch in der Debatte um die richtige Balance zwischen Spar- und Wachstumspolitik verstärkt auf Konfrontationskurs zu Deutschland. Der sozialistische Politiker forderte in der lombardischen Hauptstadt mehr Spielraum in der Sparpolitik.

Debatte nicht beendet

Hollande machte sich stark für eine „Anpassung des Rhythmus in der Haushaltspolitik an die Herausforderung des Wachstums“ – also für mehr Zeit zum Sparen. Sonst werde das Wachstum noch stärker gebremst, warnte Hollande. Deutschland forderte er ausdrücklich auf, die Kauflust im Land zu stärken, um Europas Wirtschaft zu stärken. Merkel verwies hier auf den Mindestlohn, der die Nachfrage stärken und somit auch dem Rest Europas zugute komme.

Frankreich steht wegen seiner anhaltenden Haushaltsprobleme in der EU zunehmend unter Druck. Der Haushaltsplan für 2015 sieht vor, dass das französische Defizit 4,3 Prozent der Wirtschaftsleistung beträgt. Damit liegt es erneut deutlich über dem EU-Grenzwert von 3,0 Prozent, den die Regierung in Paris nach einem bereits gewährten Aufschub eigentlich im kommenden Jahr wieder einhalten soll.

Merkel erteilte einer Änderung der EU-Defizitregeln eine Absage. Der europäische Stabilitätspakt und die darin bereits enthaltene Flexibilität seien gemeinsamen beschlossen worden, sagte die Kanzlerin. „Und deswegen bin ich voller Zuversicht, dass sich jeder seiner Verantwortung bewusst wird“, fügte sie hinzu.

Doch die Debatte ist damit nicht beendet. Sowohl Hollande als auch der italienische Ministerpräsident Matteo Renzi kündigten an, auf dem nächsten EU-Gipfel in zwei Wochen in Brüssel über Europas Wirtschaftspolitik reden zu wollen. Renzi versprach zwar, dass sein Land die Defizitgrenze von 3,0 Prozent einhalten werde. Er machte aber auch deutlich, dass er die Regel für veraltet hält: „Sie stammt aus einer anderen Welt.“

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