Früherer Staatssekretär wird Lobbyist: Intime Einflussnahme

Ex-Regierungsmitarbeiter verschaffen ihrem neuen Arbeitgeber privilegierte Zugänge zur Politik und andere Vorteile. Ein neuer Fall sorgt für Aufsehen.

In guter Nachbarschaft: Im Berliner Regierungsviertel lassen sich so manche Kontakte angeln. Bild: dpa

BERLIN taz | Diese Personalie ist brisant: Am Montag tritt Stéphane Beemelmans seinen neuen Job bei Eutop an. Der frühere Staatssekretär wird Geschäftsführer der Berliner Dependance der Lobbyagentur, die die „Interessen privater Unternehmen, Verbände und Organisationen bei der Europäischen Union und ausgewählten Mitgliedstaaten“ vertritt.

Residieren wird Beemelmans in exquisiter Lage, „nur einen Katzensprung von Bundestag und diversen Bundesministerien entfernt“, wie es in der Selbstdarstellung seines neuen Arbeitgebers heißt. Das ist praktisch, schließlich verspricht das Unternehmen seinen Kunden „die frühzeitige Identifikation legislativer und exekutiver Herausforderungen und zeigt strategische Handlungsoptionen auf“.

Dafür dürfte Beemelmans genau der richtige Mann sein, denn er kennt sich aus: Bis ihn Ursula von der Leyen im Frühjahr in den einstweiligen Ruhestand versetzte, arbeitete der 49-Jährige im Bundesverteidigungsministerium. Er gilt als ein enger Vertrauter von von der Leyens Amtsvorgänger Thomas de Maizière.

Beemelmans ist einer von zahlreichen Seitenwechslern der jüngsten Zeit. Prominenteste Beispiele sind Exgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP), der zur Allianz Private Krankenversicherung gewechselt ist, und Exentwicklungsminister Dirk Niebel (FDP), der beim Rüstungskonzern Rheinmetall angeheuert hat. Für die neuen Arbeitgeber sind sie Gold wert: Sie wissen nicht nur, wie politische Prozesse intern ablaufen – sondern haben auch Kontakte, die Firmen und Interessengruppen immense Vorteile verschaffen können.

Antikorruptionsorganisationen wie Transparency International oder LobbyControl fordern schon lange die Einführung einer gesetzlich verbindlichen Karenzzeit von drei Jahren, in der ein Wechsel von der politisch-administrativen Ebene in die Wirtschaft untersagt sein soll. Doch darauf will sich die schwarz-rote Bundesregierung nicht einlassen.

Das Kabinett soll entscheiden

Im Koalitionsvertrag heißt es zwar blumig: „Um den Anschein von Interessenkonflikten zu vermeiden, streben wir für ausscheidende Kabinettsmitglieder, Parlamentarische Staatssekretärinnen und Staatssekretäre und politische Beamtinnen und Beamte eine angemessene Regelung an.“ Nach den bisherigen Planungen soll es allerdings dem Kabinett überlassen bleiben, ob es je nach Einzelfall die Gefahr von Interessenkonflikten feststellt. Nur dann soll es eine Karenzzeit von 12, in Sonderfällen von 18 Monaten geben.

Verspätet: Vom Bundeskanzleramt wollte Staatsminister Ronald Pofalla (CDU) direkt zur Deutschen Bahn wechseln. Nach großer öffentlicher Empörung verschob er den neuen Job. Nun wird er am 1. Januar 2015 im Bahn-Management anfangen und bis 2017 in den Konzernvorstand aufrücken.

Verkaufshelfer: Als Gesundheitsminister hat Daniel Bahr (FDP) die nach ihm benannte Pflegezusatzversicherung auf den Weg gebracht. Seit November 2014 hilft er als Führungskraft der Krankenversicherung des Allianz-Konzerns, sie zu verkaufen.

Skrupellos: Exentwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) hat im Bundessicherheitsrat über Waffenexporte mitentschieden. Nach der Abwahl der schwarz-gelben Regierung heuerte er beim Rüstungskonzern Rheinmetall an. Das sorgte selbst bei den lobbyfreundlichen Freidemokraten für Unmut.

Film: „Leif trifft …“ zum Thema Lobbyisten läuft am 3. 12. um 20.15 Uhr im SWR. (ank)

Der Begriff Lobbyismus ist abgeleitet vom englischen lobby für Vorraum und bezeichnet laut Brockhaus „die nicht über die Verfassung geregelte Mitwirkung an der politischen Gestaltung eines Staates, und zwar durch die Beeinflussung jener, die laut Verfassung mit der politischen Willensbildung und der Durchführung der getroffenen Entscheidungen betraut sind“.

Aktuell sind beim Bundestag 2.219 Verbände und Interessengruppen akkreditiert – von der ABDA, der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände, bis zum Zweirad-Industrie-Verband. Die Akkreditierung garantiert einen Hausausweis fürs Parlament und eröffnet die Möglichkeit, bei Anhörungen zu Wort zu kommen.

Doch es gibt noch eine intimere Ebene der Einflussnahme. So besuchte Ende August der Staatsminister bei der Bundeskanzlerin, Helge Braun, das erlauchte „Collegium“, den Lobbyzusammenschluss von 30 DAX-Unternehmen. Besondere Schwerpunkte der Sitzung hinter verschlossenen Türen sei „die bessere Rechtssetzung und der Bürokratieabbau“ gewesen, antwortete der CDU-Mann auf schriftliche Nachfrage des SPD-Bundestagsabgeordneten Marco Bülow.

Handverlesene Interessenvertreter

Nichtöffentlich ist auch der besondere Service, den etliche Landesregierungen bieten: Handverlesene Interessenvertreter werden kurz vor Bundesratssitzungen in der jeweiligen Landesvertretung über aktuelle Gesetzesentwürfe informiert. Das grün-rote Baden-Württemberg nennt das „Preview Bundesrat“.

Beim letzten Treffen am Montag vergangener Woche standen beispielsweise die Gesetze zur Bankenunion auf der Tagesordnung. „Frühstücksgespräch Wirtschaftslobby“ heißt das traute Tête-à-tête im rot-grünen NRW. Die regelmäßigen Treffen der zuständigen Ministerin mit den Abgesandten führender Konzerne wie Evonik, Bayer, BASF oder der Deutschen Annigton werden sogar protokolliert.

Der Journalist Thomas Leif, der sich seit Jahren mit dem Thema Lobbyismus beschäftigt, hat eine ganze Reihe solcher vertraulicher Veranstaltungen aufgespürt. In seiner Dokumentation über „Die stille Macht im Land“, die am Mittwochabend im SWR ausgestrahlt wird, belegt er anschaulich, wie lohnenswert sie aus Sicht der Lobbyisten sind.

So berichtet in bemerkenswerter Offenheit der sächsische Staatssekretär Erhard Weimann (CDU), dass es „sehr effiziente Runden“ in der sächsischen Landesvertretung zum Thema Mindestlohn gegeben habe, „wo noch mal der Blick geschärft worden ist, wo ein Nachbesserungsbedarf an sieben, acht Punkten“ bestehe. Weimann: „So kam es dann auch.“

Für „schwer erträglich“ hält der renommierte Rechtswissenschaftler Ulrich Battis solche Events. Sie widersprächen dem Transparenzgebot. „Ich halte das für eine undemokratische und rechtsstaatswidrige Praxis“, so Battis gegenüber dem SWR-Chefreporter Leif.

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