Kommentar Schwules Väterpaar: Kind statt Ideologie

Eine fast revolutionäre Entscheidung des BGH: Nicht das traditionelle Familienbild entscheidet, wer Eltern sind, sondern das Kindeswohl.

In Deutschland bleibt Leihmutterschaft verboten. Bild: imago/united archives international

Der Bundesgerichtshof hat eine zukunftsweisende Entscheidung in Sachen Elternanerkennung getroffen. Freuen kann sich nun, zumal vor den – ob christlich gesinnt oder nicht – weihnachtlichen Familienfesttagen ein Elternpaar in Berlin. Es sind zwei schwule, miteinander verheirate („Eingetragene Lebenspartnerschaft“) Männer. Sie hatten in Kalifornien durch den Samen des einen Mannes bei einer Leihmutter ein Kind, ihr Kind austragen lassen.

Die Eltern des in den USA zur Welt gekommenen Kindes flogen mit diesem zurück in die Heimat, nach Deutschland. Dort aber gelang es ihnen nicht, sich beim zuständigen Standesamt wie gewöhnliche (gemischtgeschlechtliche) Eltern als solche registrieren zu lassen.

So begann die juristische Auseinandersetzung – und absehbar war, dass es bei dieser Entscheidung geblieben wäre. Dass nämlich schwule Eltern und deren Elternschaft über eine Leihmutter mit dem Kernbestand deutschen Rechts gründlich kollidiert. Das Paar aber blieb hartnäckig, es kämpfte um sein Kind.

Der Bundesgerichtshof, der den Fall selbst nicht zu verhandeln hatte, sondern nur den Urteilsspruch unterer Instanzen auf rechtliche Stimmigkeit zu prüfen hat, entschied nun nachgerade revolutionär gegen die üblichen Vorstellung von Elternschaft als Naturresultat aus einer Frau-Mann-Verbindung.

Internationales Recht als Krücke

Die Karlsruher Spitzenjuristen mussten aber international geltendes Recht bemühen, um zu ihrem Befund zu gelangen: Es gehe, so sagten sie, zunächst und vornehmlich um das, was als Kindeswohl begriffen werden kann. Nicht entscheidend sei, ob die Eltern solche traditioneller Art sind oder eben homosexuelle: Wichtig sei nur, was für das Kind wichtig ist. Kurz gesagt: Liebe, Geborgenheit, Zukunftsfähigkeit durch die Eltern. Sprüche des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte wurden herangezogen, ebenso die UN-Kinderrechtskonvention.

Für die BGH-Richtenden hieß es am Ende, dass die schwulen Eltern in ihrer Rolle als Eltern nicht „den wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts jedenfalls nicht in einem solchen Maß widerspricht, dass eine Anerkennung ... untragbar sei“. Dem Kind möge es gut gehen, nicht jene sich besser fühlen, die in homosexuellen Eltern etwas Irritierendes oder gar Widernatürliches erkennen.

Dieses Urteil wird Auswirkungen für alle Debatten um das Adoptionsrecht für homosexuelle Paare haben. Das Argument, dass Adoptiveltern in ihrer Beschaffenheit dem Bild heterosexueller Elternschaft entsprechen müssen, ist, de fakto, als ideologisch enthüllt. Es geht immer um das, was Kindern wohl tut – nicht um das Primat des Heterosexuellen, also nicht um die Aufrechterhaltung von ideologischen Gehalten.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Postbote, Möbelverkäufer, Versicherungskartensortierer, Verlagskaufmann in spe, Zeitungsausträger, Autor und Säzzer verschiedener linker Medien, etwa "Arbeiterkampf" und "Moderne Zeiten", Volo bei der taz in Hamburg - seit 1996 in Berlin bei der taz, zunächst in der Meinungsredaktion, dann im Inlandsressort, schließlich Entwicklung und Aufbau des Wochenendmagazin taz mag von 1997 bis 2009. Seither Kurator des taz lab, des taz-Kongresses in Berlin, sonst mit Hingabe Autor und Interview besonders für die taz am Wochenende. Kurator des taz lab und des taz Talk. Interessen: Vergangenheitspolitik seit 1945, Popularkulturen aller Arten, besonders der Eurovision Song Contest, politische Analyse zu LGBTI*-Fragen sowie zu Fragen der Mittelschichtskritik. Er ist auch noch HSV-, inzwischen besonders RB Leipzig-Fan. Und er ist verheiratet seit 2011 mit dem Historiker Rainer Nicolaysen aus Hamburg.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.