Die Woche: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?

Ein mümmelnder Bundespräsident, Diekmann ohne Zähne, und im Finanzministerium gibt es offenbar eine Fachabteilung für idiotische Zeitpunkte.

Er ist noch dran: Sarrazins Riesenschnäuzer Bild: dpa

taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht in der vergangenen Woche?

Friedrich Küppersbusch: So wenige Katastrophen, dass medial an Katastrophengedenktage erinnert werden musste, Tsunami und so.

Und was wird besser in dieser?

20.15 Uhr ist im Fernsehen seit alters die Zeit der großen Abendunterhaltung. Let’s go.

Kanzlerin Merkel hat in ihrer Neujahrsansprache klare Worte gefunden: Wer heute „Wir sind das Volk“ riefe, meine in Wirklichkeit: „Ihr gehört nicht dazu“. Ganz neue Töne, oder?

Nach Gaucks auch persönlich zu Herzen gehender Kriegserklärung an Russland anlässlich des Gedenktages zum Überfall auf Polen ließ der CSU-Crazyboy Gauweiler den Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages prüfen: Muss der Bundespräsident Reden genehmigen lassen? Die Folge: Gauck mümmelte zu Weihnachten kalorienarme Watte vom Prompter. Dabei schaute er so konsequent links am Objektiv vorbei, dass man durchs halbe Wohnzimmer rutschte und „Hallo! Onkel! Hier bin ich!“ ausrufen mochte. Die aufrüttelnde, wertorientierte Rede eines Staatsoberhauptes hielt dann die Regierungschefin. Zum Trost drosch sie bei Russland drauf, wie Gauck es nicht anders getan hätte.

In Griechenland stehen Neuwahlen an, Syriza hat gute Chancen. „Europa in Angst“, schrieb Bild. Kommt er 2015 endlich, der Kommunismus?

Interessant, dass man einer linken Regierung wegen eher aus dem Euro rausdarf, als wenn man nur Banken gestattet, die Bevölkerung zu verarmen. Die Formulierung „In Griechenland droht ein Linksrutsch“ lässt fragen, wie denn bitte der Kommentar aussähe, wenn dies die Meldung war. Nein, gerade bei einer Linksregierung muss nun Ehrgeiz auf den Tisch, die Griechen im Kampf um Verteilungsgerechtigkeit zu unterstützen. Ihnen fehlt das Geld, das auch wir an ihnen verdient haben. So geht echte Liebe: in schlechten wie in schlechten Zeiten.

Im Gemeinderat von Muldestausee hatten Abgeordnete von AfD und Linke kurzzeitig eine Fraktion gebildet. Eine Koalition für die Zukunft?

Puzzlestein eines Bildes, das laut Forsa die höchsten Sympathien für Pegida bei den AfD-Anhängern sieht – und bei Fans der Linken. Laut Muldestausee-Abgeordneten kenne man einander, teile Ziele, und dann folgt ungefähr der Textbaustein, mit dem die Linke auch Kooperationen mit der CDU auf kommunaler Ebene begründet hat. Nach Abendland kommt Nachtland.

Helene Fischer wird im nächsten Schweiger-„Tatort“ mitspielen. Ein humanitärer Akt, um sie nicht mehr überall singen hören zu müssen?

Liegt beim NDR in den Händen des ebenfalls für den ESC verantwortlichen Redakteurs. Es ist also mit einer Fusion beider Formate zu rechnen. Neben Werbeverträgen mit Meggle, Tchibo, VW, Garnier und Douglas; Schlager-, Volksmusik- und Kindersendungen und nun also Krimis erwägt die ARD, einzelne Programmstrecken am Morgen als „Fischerfreie Zone“ anzutrailern. Auch wenn’s wehtut, nicht nur in den Ohren: Die ARD sammelt Stars ein, das ZDF entschuldigt sich monatlich für seine immerwährende Marktführerschaft – die Öffentlich-Rechtlichen sind derzeit so erfolgreich, dass es keinen idiotischeren Zeitpunkt gäbe, über ihre Abschaffung zu räsonnieren. Offenbar gibt es im Finanzministerium eine Fachabteilung für idiotische Zeitpunkte.

Bild-Chef Diekmann hat sich aus Charity-Gründen den Bart abrasiert und nicht ausgeschlossen, dem in finanzielle Not geratenen Watchportal Bildblog Geld zu spenden. Wie viel Schafspelz geht noch?

Älteren Männern mit zahnlos eingefallenen Wangen drückte der Figaro dunnemals einen Löffel in den Mund, um so immerhin Widerstand für die Rasierklinge zu finden. Dabei floss schon mal Blut, was unterm Strich auch als Präambel Diekmann’schen Schaffens taugt: Journalismus über den Löffel barbiert. Dagegen ging es bei Diekmanns Rückverabendlandung unblutig zu. Mit der stattlich herangewachsenen Öko-Krawatte abends in Dresden unterwegs hätte der Bild-Chef Spontanhinrichtungen durch begeisterte Bild-Leser gewärtigen müssen. Schließlich war es Bild, die mit ihrem Riesenschnäuzer Sarrazin den Claim der Paranoia-Bewegung setzte. Jenen Claim, den Diekmanns Barbier, den blanken Hals vorm Messer, nicht beherzigte: Das wird man doch noch sägen dürfen. – Die „Spende“ ist bei Licht betrachtet Sponsorengeld eines Klingenherstellers, somit also keine. Und keine Spende kann man auch nicht annehmen.

Und was machen die Borussen?

Schon 14 Tage kein Spiel verloren.

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Jahrgang: gut. Deutscher Journalist, Autor und Fernsehproduzent. Seit 2003 schreibt Friedrich Küppersbusch die wöchentliche Interview-Kolumne der taz „Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?".

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