Arabische Presse zu „Charlie Hebdo“: Entschuldiger und Aufstachler

Der Anschlag auf die französische Satirezeitung wird in der arabischen Presse als Akt des Terrors verurteilt. Doch auch Rassismus sei ein Problem.

Zeichnung in Gedenken an die Zeitung in Paris. Bild: reuters

BERLIN taz | „Die Extremisten kommen aus den Reihen von uns Muslimen“, stellt die in vielen arabischen Ländern erscheinende Tageszeitung Al-Sharq Al-Awsat fest. Es gebe keinen Unterschied zwischen islamistischen Terroristen, die in Syrien Kinder töten und Jesidinnen verschleppen, und denen, die in Paris Journalisten ermorden: „Der Täter ist derselbe.“ Die Schuld sei nicht allein bei den Tätern zu suchen, sondern bei all jenen, die deren Verbrechen rechtfertigten und versuchten, die Muslime mit Lügen und Entschuldigungen in die Irre zu führen. „Diese ’Entschuldiger‘ geben den Terroristen Deckung und Legitimität.“

In eine ähnliche Richtung zielt die saudische News-Website Al-Arabiya: „Der Terrorismus ist immer derselbe, es gibt keinen Unterschied zwischen Mord hier und Mord da.“ Paris unterscheide sich nicht von der saudischen Stadt Arar, wo am Montag zwei Grenzsoldaten getötet wurden. Beide Anschläge trügen den Stempel des IS. Auch Al-Arabiya betont die Rolle der „Aufstachler“ und „Rechtfertiger“: „Sie rechtfertigten den 11. September in New York, schwiegen über den 12. Mai in Riadh und waren ratlos über den 7. Juli in London.“

Die ägyptische Tageszeitung Youm7 hebt dagegen die islamkritischen Karikaturen des Satiremagazins hervor. „Die französische Zeitung wird beschuldigt, den IS, den Islam und den Propheten beleidigt zu haben, und das ist ein wichtiger Punkt, denn die Europäer – besonders die weniger informierten Medien – verwechseln Muslime und Terroristen und wissen nicht, dass die Mehrheit der Muslime friedlich und gemäßigt ist.“ Dennoch dürfe dem „Meinungsfanatismus“ nicht mit Waffengewalt begegnet werden.

Die terroristische Gewalt, schreibt Youm7 weiter, spüle Wasser auf die Mühlen „der fanatischen Rechten in Europa“. Einige in Europa betrachteten Ausländer nicht als Teil der europäischen Kultur und wollten sie ausweisen. „Es ist wahr, dass sie (die Terroristen, d. Red.) zum Islam gehören, aber am Ende sind sie europäische Staatsbürger. Wird Europa sie ausweisen oder ihren Ideen etwas entgegensetzen (...)?“, fragt die Zeitung.

„Frankreich greift Frankreich an“. So sieht es auch die libanesische Tageszeitung Al-Akhbar: „Nach Verbrechen und Tragödien wie in Paris bestimmt das Leitmotiv ’Solidarität mit Frankreich‘ den Diskurs – als ob das Land einem ausländischen Angriff ausgesetzt gewesen wäre.“ Innere Krisen nach außen zu verlagern, sei ein alter Reflex, mit dem die Wahrheit verdrängt werde. Es müsse aber über den „Rassismus des französischen Staats und der französischen Gesellschaft gegen Migranten“ gesprochen werden, in der „Franzose“ und „Muslim“ als Gegensatz aufgefasst würden.

Auch die Regierung in Paris trägt laut der Zeitung, die der schiitischen Hisbollah nahesteht, eine Mitschuld. Sie habe es den Saudis erlaubt, islamische Einrichtungen zu finanzieren und ihr salafistisches und wahhabitisches Gedankengut in Frankreich zu verbreiten. Die von der Gesellschaft abgelehnten Muslime würden auf ihrer Suche nach einer muslimischen Identität schließlich allein im Salafismus fündig werden.

Die europäischen Regierungen rückt auch die dem syrischen Regime nahestehende Zeitung Al-Thawra in den Mittelpunkt, die die muslimfeindlichen Kräfte in Europa als gegen den islamistischen Terror verstanden wissen will. Mit Blick auf die deutsche Pegida-Bewegung heißt es: „Vor der Schießerei brach auf Massendemonstrationen in einigen Hauptstädten Europas Wut über die Unterstützung des Terrorismus in Syrien und dem Irak aus.“ In Europa würden die Stimmen lauter, „die dazu aufrufen, die Terroristen nicht weiter mit Waffen und Geld zu versorgen“, schreibt der Autor, der der westlichen Hilfe für einige syrische Rebellengruppen merklich ablehnend gegenübersteht. Doch die USA und Frankreich würden an ihrem Kurs festhalten, unbeirrt Öl ins Feuer gießen und die Krisen in der arabischen Region – „vor allem in Syrien“ – schüren.

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