Erstochener Flüchtling in Dresden: Spurensicherung mit Verzögerung

Mehr als 24 Stunden vergingen, bis die Polizei mit Spezialisten anrückte. Staatsanwalt Haase verteidigt das Vorgehen, Volker Beck erstattet Anzeige.

Kam sehr spät: die Polizei am Tatort Bild: dpa

BERLIN taz | Im Fall des getöteten Asylbewerbers Khalid Idres Bahray in Dresden gerät die Polizei unter Druck. Am Donnerstag hat der Grünen-Bundestagsabgeordnete Volker Beck Strafanzeige gegen die Ermittler von Polizei und Staatsanwaltschaft gestellt. „Da die Strafverfolgungsbehörden davon abgesehen haben, unverzüglich nach Auffinden der Leiche etwaige Spuren zu sichern, haben sie die Strafverfolgung zumindest verzögert, wenn nicht gar vereitelt“, begründet Beck seinen Schritt.

Die Dresdner Polizei hatte am Dienstag über den Tod des 20-Jährigen aus Eritrea mitgeteilt, es lägen „keine Anhaltspunkte auf Fremdverschulden“ vor. Dieser Einschätzung hatten Mitbewohner des Toten umgehend widersprochen. Schließlich sei Idres blutüberströmt aufgefunden worden.

Die Zweifel an der ursprünglichen Polizeiversion bestätigten sich am Mittwochnachmittag durch einen Bericht der Dresdner Staatsanwaltschaft. Die Obduktion habe ergeben, dass Idres „durch mehrere Messerstiche in den Hals- und Brustbereich zu Tode gekommen“ sei, heißt es darin. Das polizeiliche Versagen manifestiert sich in einem der folgenden Sätze: „Kriminaltechniker haben die Spurensuche und -sicherung in der Wohnung, am Fundort und in dessen Umfeld aufgenommen.“

Dresdens Oberstaatsanwalt Lorenz Haase sagte am Donnerstag der taz, dass ein „erster Messereinstich im Rahmen der Obduktion am Mittwoch gegen 9 Uhr festgestellt wurde“. Daraufhin sei die Mordkommission verständigt worden, die dann die Ermittlungen aufgenommen habe, so Haase. Somit liegen über 25 Stunden zwischen dem Auffinden der Leiche und dem Eintreffen der Experten der Kriminaltechnik. Die Dresdner Morgenpost hatte zunächst gemutmaßt, dass sogar //mopo24.de/nachrichten/toter-khaled-was-ist-bei-der-ermittlung-schief-gelaufen-3828:30 Stunden vergangen seien.

Dann wäre es „anders gelaufen“

Haase nannte das polizeiliche Vorgehen dennoch „völlig normal“. Die Beamten vor Ort wären von einem „Sturzgeschehen ausgegangen“, ein Entkleiden des Opfers an der Fundstelle wäre der „Würde des Opfers nicht gerecht geworden“. Auch hätten sie den Fundort untersucht. Haase räumte aber ein, dass es „anders gelaufen“ wäre, wenn die Beamten unmittelbar von einem Tötungsdelikt ausgegangen wären. Dennoch legt er sich fest: „Die Ermittlungen werden dadurch nicht erschwert.“

Robert Kusche von der Beratungsstelle für Betroffene rechter Gewalt, der seit dem Auffinden der Leiche mehrfach den Tatort besuchte, sagte der taz, dass der Fundort der Leiche frei zugänglich gewesen sei. Er gehe davon aus, „dass da mehrere Leute durchgestapft sind“.

Die sächsische Linkspartei kritisierte die Polizei dafür, dass sie zunächst offenbar von einem „Routinefall“ ausgegangen sei. Ihrer Einschätzung nach „kann und darf ein rassistisches Motiv bei den Ermittlungen nicht gänzlich ausgeschlossen werden“. Als Hinweise darauf werden „regelmäßigen Beschimpfungen und Drohungen“ aufgeführt, von denen Freunde und Bekannte des Toten berichteten. Auch habe ein Nachbar darauf hingewiesen, dass „an die Wohnungstür des Toten erst kurz vor Silvester zwei Hakenkreuze geschmiert worden waren“.

Das Dresdner „Netzwerk Asyl, Migration, Flucht“ berichtete unterdessen, dass sich am Mittwoch, als Idres’ Mitbewohner auf der Polizeiwache befragt wurden, auch die Pegida-Organisatoren um Lutz Bachmann dort aufgehalten hätten. Eine Augenzeugin soll berichtet haben, dass Bachmann „die Schuld für den Tod auf die ’Flüchtlinge‘ schob und jede Verantwortung von sich wies“.

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