Prügelstrafe für Blogger in Saudi-Arabien: Die nächsten 50 Peitschenhiebe

Der Blogger Raif Badawi wird Freitag wieder ausgepeitscht. Er hatte sich mit dem religiösen Establishment angelegt. Seine Frau hofft auf internationalen Druck.

„Ich bin Raif“: Protestaktion in Den Haag. Bild: dpa

KAIRO taz | An diesem Freitag ist es zum zweiten Mal so weit: Der saudische Blogger und Aktivist Raif Badawi wird nach den Gebet in Hand- und Fußschellen auf einem der Plätze in der saudischen Stadt Dschiddah vor die Al-Dschafali-Moschee geführt werden. Ein Polizeioffizier wird mit einer Rute hervortreten und wird 50-mal auf den Rücken und die Beine Badawis einschlagen.

Geht es nach einem saudischen Gericht, wird sich diese Szene an den nächsten 19 Freitagen wiederholen. Es hatte Badawi zu 1.000 Peitschenhieben, 50 pro Woche, und einer Haftstrafe von zehn Jahren verurteilt. Sein Vergehen: Er hat im erzkonservativen Königreich eine liberale Webseite gegründet, in der er immer wieder das religiöse Establishment kritisiert hatte.

Badawi nahm kein Blatt vor den Mund. „Sobald ein Denker seine Ideen offenlegt, wird er mit Hunderten von Fatwas konfrontiert, nur weil er es gewagt hat, ein geheiligtes Thema aufzugreifen. Ich fürchte, arabische Denker werden auswandern auf der Suche nach frischer Luft und um dem Schwert der religiösen Autoritäten zu entkommen“, hieß es in einem der Einträge auf seinem Blog, der seit seiner Verhaftung 2012 nicht mehr online steht.

In einem anderen Eintrag machte er sich über einen so genannten Scharia-Astronomen lustig. „Ich rate der Nasa, sich nun von ihren Teleskopen abzuwenden, weil die Visionen und der Durchblick unserer so genannter Scharia-Astronomen diese obsolet hat werden lassen. Ich rufe alle Gelehrten dieser Welt auf, ihre Studien, Labore, Forschungszentren und Universitäten zu verlassen, um sich sofort in Arbeitsgruppen zu unseren großartigen Predigern zu begeben, um von ihnen alles zu lernen, über moderne Medizin, Ingenieurwesen, Chemie, Mikrobiologie, Geologie, (…) und Astronomie natürlich. Gott segne sie. Die Prediger meinen, sie sind die letzte Autorität mit dem letzten Wort zu allem, das die Menschheit ohne Zweifel und Zögern akzeptieren soll.“

Ein Augenzeuge, dessen Name aus Sicherheitsgründen nicht veröffentlicht wurde, beschrieb gegenüber Amnesty International die Szene, als Badawi vergangenen Freitag das erste Mal ausgepeitscht wurde. „Als die Moscheebesucher den Polizeitransporter vor der Moschee sahen, wussten sie, dass heute jemand ausgepeitscht wird. Sie stellten sich sich im Kreis auf und Passanten gesellten sich dazu. Ist das ein Mörder, ein Verbrecher, betet er nicht, haben sie gefragt“, beginnt er seine Schilderung.

Fünf Minuten für 50 Peitschenhiebe

„Raif hatte Hand- und Fußschellen angelegt, drückte seinen Rücken durch. Er war ganz still, aber man konnte sehen, dass er große Schmerzen hatte“, berichtete er weiter. „Der Offizier zielte auf den Rücken und die Beine und zählte bis 50. Das Ganze dauerte fünf Minuten. Es ging schnell, es gab keine Pause zwischen den Schlägen. Als es vorbei war rief die Menge: ,Gott ist groß‘, als ob Raif gereinigt worden war. Raif zu dem Polizeitransporter zurückgebracht und ins Gefängnis gefahren.“

Danach erklärte Raifs Frau Ensaf Haidar, die inzwischen in Kanada lebt, gegenüber Amnesty, dass sie fürchte, ihr Mann würde eine zweite Runde von Schlägen körperlich nicht mehr durchstehen. „Raif sagte mir, er habe nach der ersten Auspeitschung große Schmerzen, sein Gesundheitszustand ist angeschlagen, und ich bin sicher, er wird eine zweite Runde nicht aushalten“, erzählt sie. „Ich habe unseren Kindern letzte Woche alles erzählt, weil ich Angst hatte, sie könnten es von ihren Freunden in der Schule erfahren. Es war ein großer Schock für sie.“

Haidar ist sich sicher: „Internationaler Druck wird entscheidend sein, und ich glaube, dass die Unterstützung für meinen Mann etwas bewirken kann.“ Am Montag übergab Amnesty International der saudischen Botschaft in Berlin rund 50.000 Protestbriefe.

In saudischen Medien wird über den Fall zwar berichtet, aber er wird nicht öffentlich diskutiert. Womöglich versuchen die saudischen Herrscher ihren Hardlinern ein Zeichen zu setzen, dass sie auch gegen prominente Liberale hart vorgehen. In den vergangenen Monaten haben die Sicherheitskräfte immer wieder radikale Scheichs festgenommen, die dazu aufgerufen hatten, sich den Dschihadisten des Islamischen Staates in Syrien oder dem Irak anzuschließen.

Die religiösen Fundamente des Staates

Die Festnahmen auf beiden Seiten sind ein typisches Lavieren der Herrscher zwischen den IS-Sympathisanten im eigenen Land auf der einen und einer lauter werdenden Reformbewegung auf der anderen Seite. Den einen geht jede Öffnung zu weit, die anderen, oft eine neue Generation von Saudis, die im Ausland studiert haben, machen Druck, das Land zu modernisieren.

In einem Antiterrorgesetz vom vergangenen Jahr wird es Saudis untersagt, in den Dschihad im Irak oder in Syrien zu ziehen. Aber gleichzeitig wird dort auch unter Strafe stellt, die religiösen Fundamente des Landes zu hinterfragen. Dieser abstruse doppelte Terrorbegriff spiegelt die Widersprüche des Landes wieder. König Abdullah versuchte bisher immer, es beiden Seiten recht zu machen. Jetzt schwer krank, könnte sich die saudische Politik unter seinem Nachfolger in die eine oder andere Richtung verschieben. Zu mehr Peitschenhieben für religiösen oder gesellschaftlichen Dissens oder für Frauen, die endlich Autofahren dürfen.

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