Protest an Universitäten: Nachwuchsprofs rebellieren

Kein Arbeitgeber behandelt seine Mitarbeiter so schlecht wie die Hochschulen. Die wollen sich das nicht länger gefallen lassen und machen Druck.

Geld für schräge Gebäude gibt es, nur für die Mitarbeiter nicht. Bild: dpa

BERLIN taz | Es rumort an den Hochschulen. Die Dozenten und Betreuer sind unzufrieden. 158.000 wissenschaftliche Mitarbeiter arbeiten an deutschen Hochschulen, die meisten von ihnen auf einer befristeten Stelle. Über die Hälfte dieser Verträge endet nach nicht einmal einem Jahr – dann winkt in der Regel nur der nächste Fristvertrag. „Wir fordern eine grundlegende Verbesserung von Beschäftigungsverhältnissen“, heißt es in einer Internetpetition, die im Dezember online ging. Über 4.500 Menschen haben sie unterschrieben, darunter viele mit dem Titel „Dr.“ oder „Prof“.

Es werde nicht die letzte Massenpetition sein, hofft ihr Mitinitiator Andreas Kruck. „Der wissenschaftliche Nachwuchs nimmt unfaire Bedingungen nicht länger hin. Es gibt Druck von unten, damit die Perspektiven im Wissenschaftssystem attraktiver werden.“

Kruck forscht über internationale Beziehungen und ist Sprecher der Nachwuchsgruppe der Deutschen Vereinigung für Politische Wissenschaft. Mit deren Unterstützung wenden sich die Nachwuchspolitologen an politische Entscheidungsträger und an den Wissenschaftsrat, der die Regierenden in den Ländern und im Bund berät.

Der Wissenschaftsrat hatte schon vor einem halben Jahr gefordert, mehr unbefristete Stellen unterhalb der Professur zu schaffen und mehr ProfessorInnen einzustellen. Wörtlich bezeichnete der Rat eine Unikarriere als „Wagnis.“ Denn ein Nachwuchswissenschaftler ist auf eine Professur angewiesen – das durchschnittliche Berufungsalter liegt bei 42 Jahren –, oder er muss aus dem Hochschulbetrieb aussteigen.

Die Geduld der Nachwuchswissenschaftler ist erschöpft. „Die Beschäftigungssituation ist ein Dauerbrenner“, sagt Kruck. Selbst promovierte Wissenschaftler hätten mitunter nur halbe Stellen. Neben ihrer Forschung, die ihr Fortkommen im Hochschulbetrieb sichern soll, übernehmen die Doktoranden und Postdocs auch einen gut Teil der Lehre. Einige Hochschulen würden Doktoranden auch als wissenschaftliche Hilfskräfte einstufen und sie damit wie wissenschaftliche Zuarbeiter und nicht wie selbstständig Forschende und Lehrende bezahlen.

Immer mehr Online-Petitionen

Im Herbst hatten bereits die Soziologen einen offenen Brief mit 2.700 gesammelten Unterschriften an ihre Fachvertreter auf deren Jahrestagung, dem Deutschen Soziologentag, übergeben.

„Das Mobilisierungspotenzial ist gewachsen“, sagt Peter Ullrich, Bewegungsforscher an der TU Berlin. Er hat mit anderen Betroffenen im November das Netzwerk „Prekäres Wissen“ ins Leben gerufen, eine Art virtuellen Stammtisch für Austausch und Information.

Zuvor hatten im September über 25.000 Menschen die Onlinepetition des Naturwissenschaftlers Sebastian Raupach unterzeichnet. Und das Templiner Manifest der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft für einen „Traumjob Wissenschaft“ haben seit 2009 über 10.500 Menschen unterschrieben.

Die Politik hat den Ernst der Lage erkannt: Es sei „indiskutabel, dass mehr als die Hälfte der Wissenschaftler bei ihrem ersten Vertrag kürzer als ein Jahr beschäftigt“ würden, hatte Bundeswissenschaftsministerin Johanna Wanka (CDU) im Januar der Süddeutschen Zeitung gesagt und angekündigt, das Wissenschaftszeitvertragsgesetz zu reformieren. Die Bildungspolitiker der Großen Koalition beraten bereits.

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