Kämpfe in der Ostukraine: Separatisten rücken in Debalzewe ein

Der Termin zum Abzug schwerer Waffen ist verstrichen. Beide Seiten warten darauf, dass der Gegner beginnt. Nun wird erstmals in den Straßen von Debalzewe gekämpft.

Bewaffnete Separatisten in der Region um Debalzewo. Bild: reuters

BERLIN/KIEW rtr/dpa/afp/ap | Die ukrainische Armee und die prorussischen Rebellen haben am Dienstag nicht wie vereinbart mit dem Abzug ihrer schweren Waffen von der Front begonnen. Der vergangene Woche dafür festgeschriebene Termin verstrich am Morgen.

Beide Seiten hatten bereits am Montag erklärt, sie würden mit dem Abzug erst beginnen, wenn dies auch die andere Seite tue. Währendessen wird aus der Region um Debalzewe weiterhin über heftige Kämpfe berichtet.

Nach Angaben der Separatisten werde jetzt auch erstmals in den Straßen von Debalzewe gekämpft. Nach tagelangem Stellungskrieg um Debalzewe seien die Separatisten in die strategisch wichtige Stadt in der Ostukraine eingerückt, heißt es.

„Der Vormarsch verläuft sehr aktiv. Ein großer Teil der Stadt befindet sich unter unserer Kontrolle“, sagte ein Sprecher der Aufständischen am Dienstag der Agentur Interfax. Es gebe "viele Opfer" bei den Regierungseinheiten, Dutzende andere Soldaten würden kapitulieren.

Der Friedensplan für die Ostukraine sieht eine Deeskalation der Krise in mehreren Schritten vor. Ausgangspunkt sollte der Beginn der Waffenruhe am Sonntag sein. Ein Überblick über den vorläufigen Zeitplan:

Binnen zwei Tagen nach Beginn der Waffenruhe: Abzug schwerer Waffen aus einer Pufferzone. Theoretisch wäre die Frist in der Nacht zum Dienstag ausgelaufen. Zunächst ließen das ukrainische Militär und die prorussischen Separatisten aber ihre schweren Waffen im Konfliktgebiet. Zuletzt eskalierten die Kämpfe um die strategisch wichtige Stadt Debalzewe.

Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) soll den Abzug des Kriegsgeräts überwachen. Zugleich sollen Gespräche zwischen den Konfliktparteien über Wahlen im Donbass beginnen.

14 Tage später: Der Abzug schwerer Waffen soll abgeschlossen sein. Fünf Tage nach dem Rückzug der Geschütze soll ein Gefangenenaustausch abgeschlossen sein.

Bis zu 30 Tage nach Unterzeichnung des Friedensplans in der weißrussischen Hauptstadt Minsk (14. Februar): Das ukrainische Parlament soll einen Beschluss über mehr Autonomie in bestimmten Regionen des Donbass verabschieden.

Bis Ende 2015: Die ukrainischen Behörden sollen die Kontrollen an der Grenze zu Russland wieder vollständig übernehmen. Vorausgehen soll dem eine Verfassungsreform, die eine Dezentralisierung der Macht einleitet. Diese soll den Regionen Donezk und Lugansk die zuvor zugesicherte größere Selbstbestimmung ermöglichen. (dpa)

Der Polizeichef des Gebietes Donezk, Wjatscheslaw Abroskin, sagte, der Verkehrsknotenpunkt Debalzewe werde von prorussischen Separatisten beschossen. Die Armeeführung in Kiew prüft die Angaben.

Am Dienstagmorgen schon hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel in einer Telefonkonferenz mit den Präsidenten Russlands und der Ukraine, Wladimir Putin und Petro Poroschenko, auf eine Umsetzung der Vereinbarungen von Minsk gedrungen. Anlass waren unter anderem die Kämpfe in der Region Debalzewe.

Die Gesprächspartner hätten konkrete Schritte vereinbart, um eine Beobachtung der Lage durch die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) zu ermöglichen, teilte Regierungssprecher Steffen Seibert mit.

Merkel und Poroschenko appellierten den Angaben nach zudem in dem Telefonat am Montag an Putin, seinen Einfluss auf die Separatisten geltend zu machen, damit diese das Feuer einstellten. Ferner solle ab Dienstag wie vereinbart mit dem Rückzug schwerer Waffen begonnen werden.

Die OSZE hatte am Sonntag erklärt, ihren Beobachtern werde der Zugang zu Debalzewe von prorussischen Separatisten verwehrt. Die Organisation soll überwachen, ob Rebellen und ukrainische Soldaten tatsächlich wie im Minsker Abkommen vereinbart ihre Waffen schweigen lassen und ab Dienstag schwere Waffen abziehen. Der in der weißrussischen Hauptstadt vereinbarte Waffenstillstand stand am Montag auf der Kippe.

Separatisten wollen weiterkämpfen

Die prorussischen Separatisten wollen den Kampf um die Kontrolle der ostukrainischen Stadt Debalzewe trotz des vereinbarten Waffenstillstands nicht beenden. „Dazu haben wir nicht das Recht“, sagte der Rebellenvertreter Denis Puschilin am Dienstag der Nachrichtenagentur Reuters in Donezk. „Das ist auch eine moralische Angelegenheit.“

Puschilin fügte hinzu: “Wir müssen auf das Feuer reagieren und an der Zerstörung der feindlichen Kampfstellungen arbeiten.“ In der Region um Debalzewe toben noch heftige Kämpfe. Dort sind rund 8.000 ukrainische Soldaten eingekesselt.

Auch die USA haben sich angesichts der brüchigen Waffenruhe in der Ostukraine besorgt gezeigt und ein sofortiges Ende der Kämpfe gefordert. „Russland und die Separatisten, die es unterstützt“, müssten sämtliche Angriffe umgehend einstellen, erklärte die US-Außenamtssprecherin Jen Psaki.

Die USA seien „zutiefst beunruhigt“ angesichts der Lage vor allem in und um die Stadt Debalzewe. Das US-Außenministerium forderte die Konfliktparteien auf, mit der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) zu kooperieren und die Vereinbarungen der Verhandlungen in Minsk „vollständig umzusetzen“.

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