Rechtsanwalt über Anti-Doping-Gesetz: „Der Sport muss milder strafen“

Rechtsanwalt Michael Lehner über die Schwachstellen des Entwurfs, datenschutzrechtliche Bedenken und die Kollision von Sportrecht und Strafrecht.

„Die Schnittstellen zwischen Sportrecht und Staatsrecht müssen harmonisiert werden“: Dopingkontrolle in der Fußball-Bundesliga. Bild: Imagu / Ulmer

taz: Herr Lehner, der Entwurf des Anti-Doping-Gesetzes wurde zuletzt massiv kritisiert, insbesondere durch den Deutschen Olympischen Sport-Bund (DOSB). Zu Recht?

Michael Lehner: Ich habe den Eindruck, dass der DOSB im Grunde das Gesetz nicht will. Die Angst etwa um den Fortbestand der eigenen Sportgerichtsbarkeit ist sehr groß.

Vor einigen Wochen hat DOSB-Chef Alfons Hörmann gesagt, der Gesetzentwurf sei in der Grundtendenz richtig.

Es hört sich immer gut an, wenn man sagen kann: Wir setzen ein Zeichen gegen Doping. Dazu gehört auch die Unterstützung eines staatlichen Gesetzes. Das verdeckt dann auch ein wenig die Problematik, dass der Verband mit seinen Leistungsanforderungen den Sport ja selbst auch anfällig für Betrug macht.

Dabei könnte der DOSB doch froh sein, wenn der Staat erstmals die Sportgerichtsbarkeit gesetzlich verankern und damit stärken will.

Der Staat wird sich hüten, eine bereits von einem Oberlandesgericht als Verstoß gegen den Ordre public bewertete Sportgerichtsbarkeit gesetzlich für den Sport einzuführen.

Der Rechtsanwalt aus Heidelberg gilt als Spezialist auf dem Gebiet des Sportrechts. Er hat etliche Sportler vertreten, darunter den Leichtathleten Dieter Baumann oder die Radfahrer Stefan Schumacher, Jörg Jaksche und Patrik Sinkewitz. Über 50 Dopingverfahren hat der 59-jährige Hobbytriathlet seit 1991 mitgemacht.

Welche?

Nach dem neuen Code der Wada (Welt-Anti-Doping-Agentur; d. Red.) können Sportler vier Jahre gesperrt werden. Anders als bei staatlichen Gerichten muss der Athlet aber seine Unschuld nachweisen. Wenn nun ein Athlet nachträglich von einem staatlichen Gericht freigesprochen wird, fürchten die Sportfunktionäre sich vor Rückschlägen aufs eigene System – und vor drohenden Schadensersatzklagen.

Was muss passieren?

Die Schnittstellen zwischen Sportrecht und staatlichem Recht müssen harmonisiert werden. Wenn Sie sehen, dass Sportlern künftig neben einer vierjährigen Sperre durch die Wada auch noch das Strafmaß des Anti-Doping-Gesetzes droht, wird es unverhältnismäßig. Das Sportrecht muss milder strafen.

Der Inhalt: Mit dem Gesetz, das in diesem Jahr verabschiedet werden soll, kann ein dopender Sportler strafrechtlich verfolgt werden. Bestraft werden soll künftig der Besitz von Dopingmitteln, egal in welcher Menge. Die alte Dopinggesetzgebung, die im Arzneimittelgesetz integriert war, zielte eher auf die Hintermänner ab und hatte auf den Spitzensport praktisch keine Auswirkungen.

Die Strafen: Die Höchststrafe für dopende Sportler beträgt drei Jahre. Wer Minderjährigen Dopingmittel verabreicht, muss mit einer Strafe von bis zu zehn Jahren rechnen. Nur Leistungssportler, die im Testpool der Nationalen Antidopingagentur vertreten sind, sind betroffen, etwa 7.000 Athleten - und ausländische Sportler, die in der BRD starten.

Das will der DOSB aber nicht.

Der DOSB sperrt sich, weil die Veränderungen mit dem Wada-Code nicht vereinbar wären. Der Verband steckt in einer Zwickmühle.

Sehen Sie einen Ausweg?

Das Sportrecht hat sich aufgrund seiner geringen Ermittlungsmöglichkeiten mit der Beweislastumkehr beholfen. Wenn ich aber so hart strafe, gerate ich in einen Konflikt. Die Konsequenz müssen mildere Strafen sein.

Was heißt das?

Im Sportrecht sollte man nur eine Strafe von bis zu sechs Monaten veranschlagen. Alles, was darüber hinausgeht, sollte man dem Staat überlassen, der auch die Aufklärungsmittel hat.

Aber es blieben die Probleme mit dem Wada-Recht. Ihr Vorschlag hilft den Sportfunktionären nicht aus der Klemme.

Muss ich mein deutsches Verfassungsrecht so unter den Scheffel stellen, weil es international anders gesehen wird? Wenn ich ein staatliches Anti-Doping-Gesetz mit den beschriebenen Auswirkungen habe, bleibt das gesamte Sportrechtssystem nicht unberührt.

Sie sprechen von Auswirkungen auf die Wada?

Was passiert, wenn ein vom Sportgericht verurteilter Athlet vom Staat freigesprochen wird? Ich könnte mir vorstellen, dass der Sportsanktionsspruch dann automatisch aufgehoben wird. Und der Sport müsste Schadenersatz zahlen.

Sie plädieren seit einigen Jahren für ein Anti-Doping-Gesetz. Ist der jetzige Entwurf ein Meilenstein, wie die Bundesregierung behauptet?

Das Eigenlob stammt von den Verfassern des Gesetzentwurfs selbst. Von außen gesehen hat das Gesetz noch einen großen Nachbesserungsbedarf.

Wo noch?

Auch die Öffnung der Datenschleuse in Richtung Nada (Nationale Anti-Doping-Agentur; d. Red.) ist bedenklich. Dass eine Privatorganisation Einblick in staatliche Ermittlungen erhalten soll, ist datenschutzrechtlich problematisch. Von der Nada gehen die Daten ja weiter an die Wada, dann möglicherweise an den Veranstalter nach Timbuktu oder sonst wohin.

Ist es realistisch, dass das Gesetz noch auf eine vernünftige Basis gestellt wird?

Das frage ich mich auch. Ich sehe angesichts der reichlichen Kritik von allen Seiten eine gefährliche Phase für den Referentenentwurf. Das Parlament könnte zu dem Schluss kommen: Dann machen wir es lieber nicht.

Für die Bundesregierung wäre das eine Niederlage.

Deshalb werden wir vermutlich doch ein Gesetz bekommen. Der Paragraf 11, die Schiedsgerichtsbarkeit, wird wohl fallen. Mutmaßlich wird es noch Korrekturen beim Datentransfer geben. Die übrigen Punkte wird man wohl im Großen und Ganzen so belassen.

Wäre das zufriedenstellend?

Insofern ja, weil der Staat im Anti-Doping-Kampf Flagge zeigt.

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