Die Woche: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?

Schäuble zeigt Schröder-Linie, die Buchmesse zeichnet Form statt Inhalt aus und Thüringen steht auch nach 100 mit Bodo Ramelow Tagen noch.

Bodo Ramelows Thüringen liegt auch nach 100 Tagen Rot-Rot-Grün noch nicht in Schutt und Asche Bild: dpa

taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht in der vergangenen Woche?

Friedrich Küppersbusch: Varoufakis fordert einen „Merkel-Plan“ für Europa.

Und was wird besser in dieser?

Merkel lässt sich nicht beeinflussen und besteht darauf, dass sie keinen Plan hat.

100 Tage regiert Bodo Ramelow jetzt mit Rot-Rot-Grün. Thüringen liegt noch nicht in Schutt und Asche. Ihre Bilanz?

Präsident Roosevelt soll sich die „100 Tage“ dunnemals ausbedungen haben, um von den Medien unbehelligt seinen „New Deal“ aufzulegen. Ramelows „100 Tage“ bestanden aus der allgemeinen Einschätzung, er hätte am liebsten immerwährende 100 Tage. Diese Einschätzung allerdings wurde ab dem ersten Tag gedruckt. So kann man die FAZ-Schlagzeile als Ironie der Enttäuschung lesen: „100 Tage – Thüringen steht noch“.

Die Union stellt sich gegen Schäubles Vorschlag, die Erbschaftsteuer auszuweiten. Ist der Finanzminister ein verkappter Sozi?

Schäuble möchte, dass Betriebe unter 20 Millionen Euro steuerfrei vererbt werden können – das sind circa 98 Prozent aller Unternehmen. Steuerfreiheit für 98 Prozent der Reichen – das kann man sozialdemokratisch nennen, mehr so die Schröder-Linie. Die linksradikaler Umtriebe eher unverdächtige Welt streut denn auch, den Minister würde es „auch persönlich schmerzen“, wenn er eine neuerliche Klatsche vom Bundesverfassungsgericht bekäme: Er will das Thema vor der Wahl weghaben. Die rund 5 Milliarden Erbschaftsteuer jährlich zahlen großteils private Erben. Und während trauernde Hinterbliebene scharf nachrechnen, ob sie sich Opas Häuschen steuerlich leisten können, schieben Dynasten ihre Aktienpakete unbesteuert durch. Hinter dem Druck von Verbänden und CSU schimmert der Wunsch durch, die Erbschaftsteuer ganz abzuschaffen. Da wird Schäuble deutlich: „Die Lobbyverbände verdrehen die Fakten.“ Doch ein Sozi.

Hamburg oder Berlin: Wer darf sich für Olympia bewerben? Die Bewohner sind nur mäßig begeistert. Und Sie?

Keine kostspieligen Neubauten, keine Sklavenarbeit, keine Korruption, keine politischen Deutungskriege: Okay, wir machen es. Bei uns kommen 80.000, wenn der Tabellenletzte spielt. Dortmund. Wir haben auch ein Konzerthaus und einen Flugplatz, beides schon fertig!

Neonazis haben den Bürgermeister von Tröglitz aus dem Amt gedrängt, sie haben einen Dortmunder Journalisten mit Steinen beworfen. Und jetzt?

Standhalten. Diese „Demo in der Nähe der Privatwohnung“, die den Tröglitzer Bürgermeister zur Aufgabe brachte, haben Dortmunder OB und Grünen-Chefin schon hinter sich. 2012, seitdem denkt man hier gründlich über ein Verbot der Tarnkappenpartei „Die Rechte“ nach. Damals war „Standhalten“ die erfolgreiche Strategie, wenn das auch wohlfeil klingt für einen ehrenamtlichen Kleinstadtbürgermeister. Bannmeile, Parolenverbote, Musikverbot: Die Polizei hat wirksame Werkzeuge unterhalb von Demoverboten.

Mit Jan Wagner hat in diesem Jahr ein Lyriker den Leipziger Belletristik-Preis gewonnen. Lesen Sie eigentlich Gedichte?

Balladen ab und an, in sachten Dosen morbide Blüten der Zeit von vor hundert Jahren. Ansonsten laufen die Ohren über von Reimkram längs der Popmusik; manche deuten die Auszeichnung eines jungen Dichters als „Hey, das Lehrerzimmer findet HipHop dufte“, also Punkband beim Tanztee, nur schlimmer. Wenn’s mit dem Inhalt nicht vorangeht, versuchen wir es mit der Form. Gab es wirklich kein gutes relevantes Buch dies Jahr ?

Ist es richtig, dass Lehrerinnen jetzt im Unterricht Kopftuch tragen dürfen, solange sich niemand darüber beschwert?

Klar. Und hiermit beschwere ich mich.

Zwei Jahre Papst Franziskus: Ist der jetzt eigentlich fortschrittlich oder nur ’ne Plaudertasche?

Er ist das Beste an der Amtszeit Ratzingers.

Mit Frei Otto ist der Architekt des Münchner Olympia-Zeltdaches gestorben, heute klotzt die Baukunst brutal die Innenstädte zu. Warum will man heute keine Leichtigkeit mehr?

Gestern auch nicht, neben Otto standen in seiner Epoche die Gottväter des Betondurchfalls oder Architekten, die in Innenstädten eine weitgehend geheimnisvolle Erotik des Schuhkartons formulierten. Das Kanzleramt deutet auf eine jüngere Generation, die als Kinder ganz viel mit Lego Duplo spielen mussten. Freis „biomorphe“, der Natur sich nähernde Architektur lebe hoch.

Und was machen die Borussen?

Keine Sekunde nachdenken, dass ich Montag ins Büro mit lauter Kölnern muss.

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