Regionalwahlen in Frankreich: Die Nation ganz national

Der rechtsextreme Front National ist gegen Einwanderung, Islam und Euro. Umfragen zufolge könnte er aus den Regionalwahlen als großer Sieger hervorgehen.

Marine Le Pens übergeordnetes Ziel – in zwei Jahren französische Präsidentin werden. Bild: dpa

PARIS ap | Enttäuschte Sozialisten, frustrierte Konservative und ein vielseitiges Aufgebot anderer – von Homosexuellen bis hin zu politisch Abtrünnigen: Sie alle könnten dem rechten Front National bei den französischen Départementswahlen an diesem Sonntag einen Erdrutschsieg bescheren. Die Abstimmung gilt als Gradmesser dafür, ob Parteichefin Marine Le Pen ihre Position unter den wichtigsten Politikern des Landes in Stein meißeln kann. Ein Erfolg ihrer Partei gilt Wählerumfragen zufolge als wahrscheinlich.

Le Pen ist im wochenlangen Wahlkampf überaus deutlich in Erscheinung getreten, sei es in den Straßen der größeren Städte oder in kleineren Ortschaften. Ihre Nachricht an die Wähler war simpel: Wir helfen euch – und die anderen nicht.

Für Le Pen ist die Wahl von mehr als 2000 lokalen Räten ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu ihrem eigenen, übergeordneten Ziel: in zwei Jahren zur französischen Präsidentin gewählt zu werden. „Dies ist die große gerade Linie Richtung 2017“, sagte sie in einer Rede in diesem Monat in Paris. "Es gibt keine unbedeutende Wahl, keine unbedeutende Stimme."

Die Front National wird mal als rechtspopulistisch, mal als rechtsextrem beschrieben. Er ist einwanderungskritisch und fürchtet, dass der Islam das traditionelle Frankreich entwurzelt. Le Pens Ensemble will, dass das Land aus der Europäischen Union und der Eurozone austritt. Diese harte Linie hat die Parteichefin erfolgreich zu einer Charme-Offensive für diejenigen gemacht, die die vorherrschende Politik in Paris satthaben.

Von den Rechten abgehängt

Eine vor Tagen veröffentlichte Umfrage zeigt, dass Le Pen damit Erfolg haben dürfte: In der ersten Wahlrunde wird mit 30 Prozent der Wählerstimmen für die Front National gerechnet. Die konservative UMP und ihre Partner kommen gemeinsam auf 29 Prozent. Der Sozialistischen Partei (PS) von Präsident François Hollande werden 19 Prozent vorhergesagt. Die zweite Runde der Départementswahlen ist eine Woche später am 29. März angesetzt.

Die regierenden Sozialisten, unfähig, das Wirtschaftswachstum des Landes anzukurbeln oder die Arbeitslosenquote von zehn Prozent zu senken, braucht solche Wählerumfragen eigentlich nicht. Auch ohne sie spüren Hollande und Co., dass sie von den Rechten abgehängt wurden. Für sie geht es nur darum, ob das Ergebnis schlecht aussehen wird – oder eben sehr schlecht.

Ministerpräsident Manuel Valls hat kürzlich offen einen Wahlsieg Le Pens für möglich erklärt und damit die Furcht der politischen Mitte in Frankreich ausgesprochen: Ja, Le Pen könnte 2017 Präsidentin werden. „Ich fürchte um mein Land“, sagte Valls ganz unverblümt.

Dabei liegt der Beginn der Erfolgsgeschichte der Front National bereits ein wenig zurück. Im vergangenen Jahr gewann er die Kontrolle über elf Städte und drei Mandate im französischen Parlament. Bei der Europawahl verachtfachte die FN die Zahl seiner Sitze im Europaparlament von drei auf 24.

Gegen das Establishment

Paradox ist, was Meinungsforscher glauben: Verstimmte Linke könnten für die FN stimmen – traditionell eigentlich die Erzfeinde der Rechten. Doch Le Pen hat ihre Nachricht etwas gemäßigt, seit sie im Jahr 2011 den Parteivorsitz von ihrem Vater Jean-Marie Le Pen übernommen hat. Sie bietet eine Alternative zu der beklagten Politik von UMP und PS an, nachdem sie versuchte, die Partei vom Antisemitismus zu reinigen und stattdessen Einwanderer sowie Muslime angriff. Am Donnerstag sagte sie, sie wolle alle Baupläne für Moscheen auf Eis legen, bis klar sei, wer sie finanziere.

Um Wähler anzuziehen, die eine weichere Politik wünschen, hat Le Pen eine Allianz kleinerer Parteien ins Leben gerufen, die gegen das Establishment sind. Sie dementiert, dass die Front National rechtsextrem sei. Stattdessen nennt sie sich und ihre Unterstützer „Patrioten“.

Und in mehreren Führungspositionen sitzen mittlerweile Homosexuelle. Sebastien Chenu, der nördlich von Paris in Beauvais antritt, sagt, seine Mitgliedschaft in der FN zeige, dass seine Partei die ganze französische Gesellschaft widerspiegele. „Sie versuchten der Bevölkerung jahrelang glaubhaft zu machen, dass nur die an den Rand gedrängten Leute Marine Le Pen unterstützen würden“, sagte er der Nachrichtenagentur AP. „Nein, es ist Frankreich in seiner Vielfalt.“

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