Polizei geht’s nachts lockerer an

In den einsatzarmen Nächten bis zur Wochenmitte sollen in Zukunft weniger Polizisten Dienst schieben müssen, finden Innensenator und Polizeipräsident. FDP bangt um die Sicherheit der Stadt

VON PLUTONIA PLARRE

Dreimal dürfen Sie raten: Wie viele Polizisten sind in den Nachtstunden in der 3,4-Millionen-Metropole Berlin im Einsatz: a) 550; b) 2.500; c) 10.000?

Geben Sie es zu: Sie haben 2.500 getippt. 550 erscheint zu wenig, 10.000 zu viel – schließlich verfügt Berlin insgesamt nur über 16.235 Polizeibeamtinnen und -beamte. Die Auflösung präsentierten Innensenator Ehrhart Körting (SPD) und Polizeipräsident Dieter Glietsch gestern im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses: In der Zeit zwischen Mitternacht und sechs Uhr morgens wachen ganze 545 Polizisten über die schlafende Stadt.

Von den 545 Beamten gehören 120 den geschlossenen Einsatzhundertschaften (Ehu) an. Die Beamten tragen dunkelgrüne Overalls und fahren in Gruppenwagen, Wannen genannt, Streife. Sie machen Razzien, trennen in Kneipen die Kampfhähne und treten in den Grünanlagen die Lagerfeuer aus. Kurzum: Sie kommen immer dann zum Einsatz, wenn den Schutzpolizisten auf den Abschnitten und den Funkstreifen die Dinge aus dem Ruder zu laufen drohen.

„Ist Berlin noch sicher?“, fragte der FDP-Abgeordnete Björn Jotzo gestern im Innenausschuss angesichts der nächtlichen Polizeidichte besorgt. Innensenator und Polizeipräsident versuchten ihn zu beruhigen: Berlin sei sicher. Mehr noch: Die Stadt sei sogar so sicher, dass die Zahl der Polizeikräfte reduziert werden könne. Glietsch zufolge sollen „in den einsatzarmen Nächten von Sonntag bis Mittwoch jeweils von Mitternacht bis 6 Uhr morgens“ nur noch 60 Beamte in den Ehu Dienst tun. Lediglich in der zweiten Wochenhälfte werde es in den Nacht- und Morgenstunden bei 120 Beamten bleiben.

Der Polizeipräsident begründete die Pläne mit erforderlichen Personaleinsparungen. Bis 2008 müsse die Gesamtzahl der Polizisten auf 16.160 zurückgefahren sein. Eine Untersuchung der Einsatzanlässe habe gezeigt, dass die geplante Personalreduktion in den Nächten für die eingesetzten Beamten „keine unvertretbaren Risiken“ bedeute.

Dafür werde aber das Recht außer Kraft gesetzt, insistierte FDP-Mann Jotzo. Schon jetzt sei es doch so, dass die Polizei in den Nächten mit der Situation überfordert sei. Als Beispiel berichtete Jotzo von einem Vorfall am 11. April: Rund 60 Personen hätten gegen 0.30 Uhr im Mauerpark um ein Feuer gesessen. 16 Polizeikräfte seien zur Identitätsfeststellung angerückt, hätten aber aufgrund der Übermacht der Gegner darauf verzichtet. Jotzos Fazit: Die Polizei musste aufgrund von Personalmangel kapitulieren.

Es gibt allerdings auch eine andere Lesart des Vorfalls. Das Zauberwort lautet Deeskalation. Nach Angaben von Glietschs Stabsleiter, Jürgen Klug, haben die 16 Beamten bewusst auf die Feststellung der Personalien verzichtet. „Sie hätten das problemlos machen können. Die Unterstützungskräfte standen um die Ecke bereit.“