Zivilcourage: Sich nicht zurückziehen

Ehrenamtliches Engagement ist harte Arbeit. Gerade deshalb muss es mehr Aufmerksamkeit bekommen.

Das von Angela Merkel geprägte Motto zur Flüchtlingskrise Bild: dpa

Die Welt ist aus den Fugen. So empfinden viele das. So berichten Medien das. Aber ist es wirklich so schlimm? Und lähmen die ständigen Meldungen von Terror bis Trump nicht einfach? Bei vielen entsteht der Eindruck, es ließe sich nichts mehr ausrichten. Da klingt ein Wort wie „Zivilcourage“ fast veraltet. Sie wird einen Terroristen auch nicht aufhalten können. Also lieber nichts tun?

Vor einem Jahr sprachen alle von deutscher Willkommenskultur. Tausende halfen an Bahnhöfen, in Notunterkünften, am Lageso in Berlin. Jetzt sprechen alle über Terror, über Würzburg und Ansbach. Es ist laut geworden um die Ängste vor Geflüchteten.

Katrin Gottschalk, Jahrgang 1985, ist stellvertretende taz-Chefredakteurin.

Die Geflüchteten selbst versuchen derweil weiter in Deutschland anzukommen und sich ein Leben fernab des Terrors und des Krieges aufzubauen, vor dem sie geflohen sind. Noch immer werden sie dabei von Ehrenamtlichen unterstützt.

Rückschläge, Ärger und Mühen aushalten können

Viele stellen sich das als eine heroische Tat vor. Wer einmal ehrenamtlich gearbeitet hat, weiß allerdings, dass die Hilfe sich im Alltag nicht sehr heldenhaft anfühlt. Geflüchtete sind auch nur Menschen. Sie machen Freude, sie machen Ärger. Den Ärger auch auszuhalten – das gelingt nicht jedem.

Der Panter Preis zeichnet seit 2005 jedes Jahr ehrenamtliches Engagement von Menschen aus, die Rückschläge, Ärger und Mühen nicht abschrecken. Die jeden Tag dem lähmenden Gefühl widerstehen, sowieso nichts ausrichten zu können. Statt sich zurückzuziehen, gehen sie nach vorn.

„Man muss das wollen. Oder man muss es lassen. Mehr gibt es nicht.“

Ron Paustian ist einer der diesjährigen Nominierten für den Panter Preis. Er bezeichnet ehrenamtliche Arbeit als Liebhaberei: „Man muss das wollen. Oder man muss es lassen. Mehr gibt es nicht.“ Mit der Initiative „Inklusion muss laut sein“ sorgt Paustian dafür, dass behinderte Menschen im öffentlichen Leben sichtbarer werden – zum Beispiel bei einem Heavy-Metal-Konzert.

In Göttingen besetzten Aktivist_ innen des Projekts „OM10“ ein leerstehendes Gebäude des DGB, in dem nun Geflüchtete wohnen können. Die Frauen von „Peperoncini“ sammeln in Leipzig mit ihrer Asylinitiative Geld, um die Anwaltskosten von Geflüchteten zu übernehmen.

Der KARO e. V. bietet seit 20 Jahren Hilfe im sächsischen Grenzgebiet an. Für Frauen, die Opfer von Menschenhandel, Zwangsprostitution oder sexualisierter Gewalt geworden sind. Die Ehrenamtlichen wenden sich einem Thema zu, das andere lieber ausblenden. Dabei ist es Alltag vor Ort.

Wann werden Menschen zu Aktivist_innen?

Alltag in Sachsen ist auch: Jugendliche, die ihre Dörfer verlassen, sobald sie können. Oft verschwinden mit ihnen wichtige Initiativen. Tobias Burdukat bringt in Grimma Geflüchtete und Jugendliche im „Dorf der Jugend“ zusammen. Und hofft, dass sie bleiben.

Wo aber ist der Punkt, an dem aus politisch denkenden Menschen Aktivist_innen werden? „Es kommt oft im Leben dieses ‚eigentlich‘ “, sagt Adrian Rinnert vom umweltbewussten Verein „Eine Spinnerei“ in der Lausitz. „Eigentlich sollte ich kein neues Handy kaufen. Kein Auto fahren. Und so weiter. Dann kommt man dahin, dass man gar nicht alles machen kann. Wir wollten es aber ausprobieren.“

Alle für den Panter Preis Nominierten haben sich für das „Eigentlich“ entschieden. Sie stehen für tausende Ehrenamtliche. Es gibt sie, noch immer. Sie sind nur leiser als Pegida, AfD und CSU. Deshalb ist es wichtig, ihnen ein Megafon zu reichen. Der taz Panter Preis ist so eines. Er zeichnet aus, was nicht selbstverständlich ist. Dass Nachbar_innen aufeinander achtgeben. Zivilcourage eben.