Kommentar Landtagswahlen: Das Österreich-Szenario

Deutschland droht zu einem Staat zu werden, in dem nur noch Große Koalitionen möglich sind. Von einem Land ohne Regierungswechsel profitiert der rechte Rand.

GroKo forever? Bild: dpa

Vor den beiden Landtagswahlen in Thüringen und Brandenburg hat sich fast alles darum gedreht, ob mit Bodo Ramelow erstmals ein Vertreter der Linkspartei Ministerpräsident eines Bundeslandes wird. Eine Entscheidung mit bundesweiter Bedeutung war diese Frage jedoch nicht – anders als 2009, als der Abgrenzungsbeschluss der Bundes-SPD zur Linkspartei noch galt.

Derzeit ist das entscheidende Hindernis für eine rot-rot-grüne Koalition auf Bundesebene nicht die SPD, sondern die Linkspartei. Solange die Linke außenpolitisch weder willens noch in der Lage ist, für komplexe Probleme komplexe Antworten zu suchen, kann es keine Zusammenarbeit der drei Parteien in Berlin geben. Ein Ministerpräsident Bodo Ramelow könnte daran nichts ändern.

Das aus bundespolitischer Sicht wichtigere Signal von Erfurt und Potsdam ist daher das erneute gute Abschneiden der AfD. Es wird auf absehbare Zeit auf Bundesebene auch Schwarz-Grün und damit die zweite Alternative zur Großen Koalition unmöglich machen. Nichts würde ein weiteres Abwandern der Unionsanhängerschaft zur AfD so beschleunigen wie eine Zusammenarbeit mit den Grünen, die für viele Konservative wegen ihren gesellschaftspolitischen Positionen geradezu ein Feindbild darstellen.

Die Grünen selbst werden ihrer Basis eine Koalition mit einer Union, die angesichts der AfD-Erfolge wieder nach rechts rücken wird, kaum verkaufen können. Deutschland droht damit, zu einem zweiten Fall Österreich zu werden: einem Staat, in dem nur noch Große Koalitionen möglich sind. Von einem Land ohne Regierungswechsel profitiert aber der rechte Rand am meisten.

Darauf, dass die AfD sich in kurzer Zeit zerlegen wird, sollten sich SPD, Grüne und Linke nicht verlassen. Natürlich bietet die Partei angesichts der entgegengesetzten Positionen von Liberalen und Nationalkonservativen genügend Potenzial, sich zu zerstreiten. Aber ihre Führung ist erfahrener, als es etwa die der Piraten war – und bereit, die schlimmsten Querulanten auszuschließen.

Zwangsläufig ist das Österreich-Szenario nicht: Die SPD könnte frühzeitig darüber nachdenken, ob sie nicht doch einen Kanzlerkandidaten hat, der die Partei aus dem 25-Prozent-Ghetto hinausführen kann. Und in der Linkspartei müssten diejenigen, die außenpolitisch einen differenzierteren Kurs wollen, ihn endlich deutlich artikulieren.

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Von 2018 bis 2020 taz-Parlamentskorrespondent. Zuvor von 2013 bis 2018 Leiter der taz-Inlandsredaktion, von 2012 bis 2013 Redakteur im Meinungsressort. Studierte Politikwissenschaft in Berlin, danach Arbeit als freier Journalist für Zeitungen, Fachzeitschriften und Runkfunkanstalten, Pressesprecher eines Unternehmensverbands der Solarindustrie und Redakteur der Blätter für deutsche und internationale Politik.

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