Bezahldienst Flattr sucht neue Nutzer: Geldgeschenk gegen Mitgliedschaft

Neuerdings können Nutzer auf YouTube und Flickr Urhebern von Inhalten Minispenden zahlen. Um das Geld zu bekommen, muss man aber Flattr-Mitglied werden.

Auf der Suche nach neuen Mitgliedern: Flattr-Chef Linus Olsson mit Kollegen im Großraumbüro im schwedischen Malmö. Bild: dpa

BERLIN taz | „Sei der Bote für Schöpfer“, prangt die Überschrift eines Appells auf der Homepage des schwedischen Mikro-Bezahldienstes Flattr. Die User, die diese Zeilen lesen, sollen den Urhebern von Inhalten wie Videos, Musik, Fotos oder Podcasts zu ihrem „wohlverdienten Geld“ verhelfen. Sie sollen die „Schöpfer“ der auf insgesamt sieben Social- Media-Seiten veröffentlichten Inhalte durch Mails dazu bringen, sich einen Flattr-Konto anzulegen.

Künftig solle der Dienst von Flattr weiter ausgebaut werden, damit die Nutzer auch Artikel auf Newsportalen mit Minispenden honorieren können, wie es in einem Beitrag im Hausblog heißt.

Bis vor gut zwei Monaten konnten die Nutzer von Flattr nur dann Geld an einen Urheber spenden, wenn dieser in seinem Blog oder auf einer Internetseite einen „Flattr-Button“ eingestellt hatte. Die Einführung eines neuen Plug-Ins für den Browser ermöglicht es den Nutzern von Flattr nun, auch Inhalte auf den Social Media-Seiten zu honorieren, deren Urheber keinen Flattr-Account haben. „Um das Internet zu einem besseren Ort für Schöpfer zu machen“, wie es im Hausblog des Mikro-Bezahldienstes heißt. Oder einfach, um mehr Mitglieder zu werben.

Installiert ein Nutzer von Flattr das Plug-In und klickt bei Youtube auf den „Mag-ich“-Button, wird das Video automatisch geflattrt, ohne dass derjenige, der es hochgeladen hat, das überhaupt mitbekommt. Genauso funktioniert das mit Videos auf Vimeo, Musik auf Soundcloud und Fotos auf Flickr, Instagram oder 500px. Auch das Engagement bei der Entwicklung von Software auf GitHub und Textbeiträge im Sozialen Netwerk app.net können so mit Minispenden unterstützt werden.

Twitter wollte keine geflattrten Tweets

Mit einem ähnlichen Plug-In hatte sich der Mikro-Bezahldienst Kachingle schon vor einigen Jahren rechtliche Probleme eingehandelt. Ohne die New York Times (NYT) um Erlaubnis zu fragen, hat Kachingle für die Zeitung ein Klick-Konto angelegt – genauso wie Flattr ohne das Wissen der „Schöpfer“ für sie die Flattr-Klicks sammelt. Der von der NYT angestrengte //blog.kachingle.com/2011/01/kachingle-and-nytimes-settle-lawsuit-paywall-open-web/:Rechtsstreit wurde Ende 2010 außergerichtlich beigelegt, nachdem Kachingle zusagte, dies künftig zu unterlassen.

Auch Flattr hat mit dem neuen Plug-In nicht nur Zustimmung erfahren. Anfänglich konnten die User auch Tweets bei Twitter flattrn. Der Kurznachrichtendienst forderte Flattr jedoch bereits Anfang April dazu auf, diesen Service wieder einzustellen, was Flattr auch tat.

Laut Flattr-Chef Linus Olsson haben sich durch das neue Plug-In in den vergangenen zweieinhalb Monaten schon rund 250.000 Klicks angesammelt, die bei Flattr auf Halde liegen. Die sogenannten Unclaimed Flattrs bleiben so lange gespeichert, bis die Schaffer der Inhalte bei dem Bezahldienst Mitglied werden. Wieviel Geld die 250.000 brachliegenden Klicks wert sind, konnte Olsson nicht beziffern.

Geklaute Inhalte lassen fremde Kassen klingeln

Was passiert aber, wenn ein Flattr-Nutzer etwas flattrt und sich der Ersteller des Inhaltes erst Monate später beim Bezahldienst anmeldet? Der Klick werde gespeichert, aber erst später vom Budget des Users abgebucht, erklärt Olsson – bei Flattr liege also kein Geld.

Es sei technisch ausgeschlossen, das Dritte sich das Geld durch das Vorgaukeln einer falschen Identität erschleichen, versicherte Olsson. „Es ist nicht möglich, jemandem seine Flattrs zu klauen“, sagte er. Denn um an das Geld heranzukommen, müsse ein Urheber sich beispielsweise in seinen YouTube-Account einloggen, für den nur er sein Passwort kennt. Erst wenn er diesen mit seinem neu angelegten Flattr-Account verlinkt, fließe das Geld.

Der Medienforscher Karsten Wenzlaff vom Institut für Kommunikation in Sozialen Medien in Berlin gibt jedoch zu bedenken, dass Social Payment-Anbieter wie Flattr oder Kachingle nicht garantieren können, dass das Geld der User wirklich bei den rechtmässigen Urhebern ankommt. „Das Netz lebt davon“, sagte Wenzlaff, „dass Inhalte kopiert, neu zusammengestellt und auf vielen Kanälen neu veröffentlich werden.“ Flattred jemand ein kopiertes Video, klingele nicht bei dem Künstler die Kasse, sondern bei jemand anders.

Flattr möchte sich drei Jahre nach der juristischen Niederlage Kachingles gegen die NYT ebenfalls als Alternative zu Bezahlschranken auf News-Portalen etablieren. Seien die Paywalls erstmal gemeinhin errichtet, stehe immer die Bezahlschranke im Weg, wenn man den Link zu einem Artikel von einem Freund geschickt bekomme, oder wenn in einem Sozialen Netzwerk darüber diskutiert werde. Kurz: Paywalls würden den Lesern den Online-Nachrichtenkonsum verleiden.

Wenn aber die News-Portale stattdessen auf Flattr zurückgreifen würden, heißt es in dem Blogbeitrag weiter, seien vielfältige technische Lösungen denkbar. Etwa könne die Verweildauer des Flattr-Nutzers beim Lesen eines Artikels gestoppt werden – und wenn er lange genug gelesen hat, würde der Text automatisch geflattrt.

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