Verschleppte Sanierung: Wie vor 100 Jahren durch das Skagerrak

Drei Wochen lang ist der Nord-Ostsee-Kanal für große Schiffe unpassierbar. Die Reparatur maroder Schleusen hat sich verzögert. Der gescholtene Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) gelobt Besserung.

Kein Durchkommen: Schleuse am Nord-Ostsee-Kanal. Bild: dpa

HAMBURG taz | Der Nord-Ostsee-Kanal ist blockiert. Drei Wochen lang können große Schiffe die meistbefahrene künstliche Wasserstraße der Welt nicht mehr passieren. Grund dafür ist die mangelnde Unterhaltung und über Jahre verschleppte Sanierung des mehr als 100 Jahre alten Kanals. Verschärft wird die Lage dadurch, dass sich die längst geplante Erneuerung der Anlagen verzögert hat. Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) setzt nun auf ein „Aktionsbündnis“, um die Wasserstraße schnell instand zu setzen und sogar auszubauen.

„Ich habe gern den heutigen Vorschlag des CDU-Fraktionsvorsitzenden Johannes Callsen und des parlamentarischen Geschäftsführers und verkehrspolitischen Sprechers Hans-Jörn Arp aus Schleswig-Holstein aufgenommen“, teilte Ramsauer am Freitag mit. „Um Schlimmeres zu verhindern – nämlich eine sechsmonatige Sperrung – wird jetzt in den kommenden zwei Wochen auf Hochtouren gearbeitet. Dann läuft der Verkehr wieder normal“, so Ramsauer.

Der Minister werde dem Haushaltsausschuss des Bundestages in der kommenden Woche einen zusätzlichen Finanzbedarf von 60 Millionen Euro zur Bewilligung vorlegen, teilten Callsen und Arp mit. Dabei geht es um den insgesamt 360 Millionen Euro teuren Neubau einer fünften Schleusenkammer in Brunsbüttel.

Nach Angaben von Enak Ferlemann (CDU), parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesverkehrsministerium, könne die Sanierung erst danach ausgeschrieben werden. Das solle aber noch im April geschehen.

Für die Schifffahrt ist der „Kiel Canal“ von größter Bedeutung, weil er die Distanz zwischen der Nord- und der Ostsee verkürzt: Wer vom Ärmelkanal kommt oder von Hamburg, muss nicht den weiten Weg um Dänemark herum durch das Skagerrak nehmen, sondern kann von Brunsbüttel quer durch Schleswig-Holstein nach Kiel schippern. 35.000 Schiffe pro Jahr tun dies – mehr als beim Panama- oder dem Suez-Kanal.

Der Nord-Ostsee-Kanal (NOK) heißt seit 1948 so. Die internationale Bezeichnung lautet "Kiel Canal". Eröffnet wurde er 1895 als Kaiser-Wilhelm-Kanal.

Abkürzung: Die 99 Kilometer lange Wasserstraße erspart den 450 Kilometer langen Weg um das dänische Jütland herum.

Passagen: Mit 35.000 Schiffen pro Jahr liegt der NOK vor dem Suez-Kanal mit 17.000 Passagen und dem Panama-Kanal mit 14.500.

Sanierung: Nicht nur die Schleusen in Brunsbüttel, sondern auch die in Kiel-Holtenau sollen saniert werden. Der Baustart ist 2015.

Modernisierung: Der Kanal soll vor Kiel begradigt werden. Das Planfeststellungsverfahren dazu ist fast abgeschlossen.

Zwei große und zwei kleine Schleusen ermöglichen den Schiffen in Brunsbüttel die Einfahrt in den Kanal. Drei davon sind jetzt ausgefallen. Das bedeutet, dass fast zwei Drittel der Ladung nicht durch den Kanal kommen – fatal gerade auch für den Hamburger Hafen.

Im April 2012 hatte der Bundesverkehrsminister den ersten Spatenstich zum Bau einer fünften Schleusenkammer getan. Sie soll es ermöglichen, die beiden großen Kammern aus der Kaiserzeit zu sanieren, ohne den Verkehr der großen Schiffe zum Erliegen zu bringen. Bis zum Sommer vergangenen Jahres hätte der Auftrag europaweit ausgeschrieben werden sollen, eventuell schon im Jahr 2017 wäre die Schleusenkammer fertig – so war es geplant.

Veröffentlicht wurde die Ausschreibung bis heute allerdings nicht. „Wir sind in der Endphase“, sagte noch in dieser Woche Claudia Thoma von der Wasser- und Schifffahrtsdirektion (WSD) Nord in Kiel. Das Vorhaben sei komplex, man habe die Ausschreibung juristisch wasserdicht machen wollen. Vorarbeiten seien immerhin erledigt.

Aus Sicht der Kieler Landesregierung hat das Bundesverkehrsministerium ein offensichtliches Problem ignoriert: Regierung, Opposition, Verbände – alle hätten davor gewarnt, dass der jetzige Zustand eintreten könnte, sagt Regierungssprecher Carsten Maltzan. „Und es ist nichts passiert.“

Die Landesregierung sieht einen Zusammenhang mit der von Ramsauer vorangetriebenen und von Kiel kritisierten Umstrukturierung der Wasserschifffahrtsdirektionen. „Es gibt erhebliche Probleme durch die WSD-Reform, die zu einer hohen Personalfluktuation führt und damit Planungskapazitäten einschränkt“, kritisiert der Kieler Verkehrsminister Reinhard Meyer (SPD).

Auch die Hamburger machen Druck: Die dortige Handelskammer als Vertretung der Wirtschaft sieht die Standortvorteile der deutschen Seehäfen gegenüber der Konkurrenz bedroht. Der Bund sei jetzt in der Pflicht, „nicht nur sofort die Schleusentechnik aus dem Beginn des 20. Jahrhunderts zu reparieren, sondern diese umgehend durch vollständig neue Technik für das 21. Jahrhundert fit zu machen“.

Innerhalb der nächsten vier Wochen soll es nach Angaben des Kieler Verkehrs- und Wirtschaftsministeriums ein Treffen aller Beteiligten geben. Das habe Ramsauer Landesminister Meyer (SPD) in einem Gespräch zugesagt.

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