Reiseseiten: Schnäppchenjagd und Shitstorm

Für den Urlaubstrip ist das Web Informationsmedium Nummer eins. Es sorgt für günstige Preise, bringt Transparenz und scheucht selbst die Bahn auf. Kundenbewertungen allerdings führen auch mal in die Irre

Auf und davon mit dem ultimativen Schnäppchen aus dem Netz. Bild: photocase/shadowtricks

Ein knappes Posting mit großer Wirkung. Mitte Oktober macht die Studentin Jana Maria ihrem Ärger Luft und beschwert sich auf der Facebook-Seite der Deutschen Bahn über Verspätungen ihres Zuges, mit dem sie zwischen ihrem Wohnort bei Oberhausen und der Uni in Düsseldorf pendelt. Nur selten verkehrt ihr Regionalexpress pünktlich, sie verpasst Vorlesungen und kommt zu spät zu ihrem Job.

Jana Maria lässt nicht einfach Dampf ab. Sie fasst die täglichen Probleme des Bahnalltags zusammen, gibt zum Beispiel die Antwort eines Schaffners auf ihre Frage nach der günstigsten Verbindung zum Besten: „Hab ich hier eine Kugel, die mir die Zukunft sagt?“ Und sie macht einen stilistischen Kunstgriff: Schon nach ihrer Anrede „Sehr geehrte Deutsche Bahn“ kommt sie ins Stutzen: „Geehrt – im Leben nicht!“ Auch nimmt sie gleich die Antwort der Bahn auf ihr Schreiben vorweg. Wieder wird sie vom Kundenservice hören, „dass Ihnen das alles unendlich leidtut und Sie diese Mail an die passende Stelle weiterleiten“. Sie vermutet, dass ihre E-Mail gleich im Papierkorb landet. Und „zweitens nehmen Sie so etwas nicht ernst und drittens ändern Sie nichts“, so das Ende ihres Empörungsschreibens.

Schon nach wenigen Minuten antwortet die Bahn auf Facebook und teilt mit, dass man ihr Anliegen „an die Kollegen des Nahverkehrs-Kundendialogs in NRW weitergeleitet“ habe. Nichts weiter passiert bei der Bahn – nicht aber auf der Facebook-Seite: Innerhalb von zwei Tagen klicken 40.000 User den Gefällt-mir-Button. Mit ihrem offenen Brief hat sie den Nerv Tausender anderer Bahnfahrer getroffen.

Natürlich gibt es auch zynische Kommentare („Kauf Dir doch ein Auto“) und solche, die gerade bei einem Shitstorm gegen die Netiquette verstoßen und deshalb von der Bahn gelöscht wurden, aber das Gros der Beiträge lautet: „Du sprichst mir aus der Seele, wir haben genau dasselbe Problem“, so Jana Maria, der es nicht um eine symbolische Entschädigung mit einem Gutschein der Bahn geht. „Mich stört es, dass es der Bahn egal ist, was die Kunden sagen.“

Erst als die Presse von dem Fall berichtet, nimmt die Bahn telefonischen Kontakt mit ihr auf. Anschließend fasst Jana Maria die von ihr erlebten Beispiele von Unzuverlässigkeiten, Fehlinformationen und Unfreundlichkeit der Mitarbeiter in einer ausführlichen E-Mail zusammen – Kunde und Bahn sind endlich im Dialog. Ob sich allerdings im Alltag der Pendlerin etwas ändern wird, steht auf einem anderen Blatt. Hätte sie ihre Beschwerde nur per E-Mail eingereicht, wäre ihr Anliegen nie ernst genommen worden. Dank Facebook hat ihre Wut die Masse erreicht. Inzwischen ist ihr Eintrag mehr als 100.000-mal geliked und 8.500-mal kommentiert worden.

Nicht nur im Beschwerdemanagement muss die Bahn auch online umlernen. Im Vertrieb ist das Unternehmen wesentlich erfolgreicher. Wer stellt sich heute noch im Bahnhof in die Schalterschlange, um eine Fahrkarte zu kaufen? Das Ticket als DIN-A4-Papierausdruck ist längst Standard, und das Verfahren hat sich seit zehn Jahren bewährt. „Über 40 Prozent aller Fahrkarten im Fernverkehr werden mittlerweile als Onlineticket verkauft“, sagt ein Bahnsprecher. Mit 65 Millionen Besuchern gehört bahn.de zu den wichtigsten deutschsprachigen Reiseseiten im Internet.

Sparpreisfinder und Pünktlichkeitsstatistik

Über den „Sparpreisfinder“ lassen sich auch günstigste Verbindungen raussuchen, seit wenigen Tagen funktioniert auch die Platzreservierung über eine Grafik, wie sie bei Flugbuchungen üblich ist. Gerät der Fahrplan unterwegs aus dem Takt, greifen die Kunden zum Smartphone und informieren sich über die Bahn-App, wie die Reise weitergehen könnte. Nur stabil läuft der „DB-Navigator“ noch lange nicht. Immer wieder stürzt die App ab, die schon 10 Millionen Mal runtergeladen wurde.

Auf jahrelangen Druck hin veröffentlicht die Bahn seit August 2011 die monatliche Pünktlichkeitsstatistik im Internet (www.bahn.de/p/view/buchung/auskunft/puenktlichkeit_personenverkehr.shtml). Bis dahin war die Zahl der Verspätungen ein internes Geheimnis. Nur einmal im Jahr wurden die wenig aussagefähigen Durchschnittswerte genannt. Aber nicht nur bei der Bahn sorgt das Internet für mehr Transparenz.

Kurze Wege zwischen Kunden und Anbietern

Im 21. Jahrhundert ist es nicht mehr vorstellbar, dass so leicht verderbliche Ware wie leere Sitze im Flugzeug oder freie Hotelbetten nur über konventionelle Wege wie Prospekte und Reisebüros vertrieben werden. Das Internet hat den Weg zwischen Anbieter und Reisenden extrem verkürzt. Noch in den frühen 90er Jahren erfolgte der Verkauf von Reisen über eine lange Vermittlungskette, an der viele mitverdienten. Mit der ersten Onlineflugbuchung, die in Europa durch British Midland 1995 ermöglicht wurde, brach das Monopol der Travel Agents und des Telefonverkaufs zusammen. Im Rückblick war der Direktverkauf von Tickets im Web die wichtige Voraussetzung für den Siegeszug der Billigflieger. Doch der Pionier aus den ersten Tagen des Internets verstand es nicht, den Vorsprung zu nutzen: Die strauchelnde British Midland, die vorübergehend auch im Besitz der Lufthansa war, verschwand vor zwei Monaten vom Markt.

Die Nase im Web ganz vorn haben die Rivalen Ryanair und Easyjet. Sie nutzen das Internet auf eine so effektive Art, dass ein Teil der Dienstleistung von der Airline auf die Passagiere übertragen wurde: Der Check-in und die Gepäckabfertigung müssen möglichst im Internet abgewickelt werden, sonst gibt es Preisaufschläge. Auch andere in der Reisebranche haben viele Arbeitsprozesse an die Kunden delegiert: Wer umzieht, muss seine Adressangaben bei dem Meilenprogramm einer Fluggesellschaft online ändern. Nicht einmal ein Callcenter brauchen die Firmen für diese Dienstleistung.

Zwei weitere Tendenzen lässt sich bei der Flugbuchung im Web beobachten: Potenzielle Reisende gehen nicht mehr direkt auf die Homepages einer Airline oder eines Flugportals wie cheaptickets.de oder flug.de – nicht zu verwechseln mit fluege.de, die zur Unister-Gruppe gehören, deren Geschäftsräume in Leipzig gerade wegen Verdacht der Steuerhinterziehung durchsucht wurden –, sondern sie bedienen sich einer Metasuchmaschine wie swoodoo.de oder momondo.de, die nach einmaliger Eingabe der Reisewünsche Dutzende andere Websites simultan abfragt, den günstigsten Flug findet und von der Vermittlungsprovision lebt.

Noch relativ neu sind Websites, die sich der Passagierrechte annehmen. Dahinter stehen Anwaltsbüros, die wie ein Inkassobüro von den Airlines das Geld eintreiben, wenn ein Flug große Verspätung hat oder gestrichen wird. Denn nur die wenigsten Airlines zahlen ohne Gerichtsverfahren eine Entschädigung, die Fluggästen laut EU-Verordnung zusteht. Durch die Eingabe des betreffenden Flugs auf der Homepage von fairplane.net, euclaim.de oder flightright.de kann man schnell herausfinden, ob sich finanzielle Forderungen erfolgreich durchsetzen lassen.

Am schnellsten setzte sich in den 90er Jahren die Onlinereservierung von Hotels durch. Auch bei der Bettensuche im Web hat sich die Metasuche bewährt. Seiten wie trivago.de und swoodoo.de durchsuchen klassische Hotelportale wie hrs.de, booking.com und hotels.com und vergleichen die Preise untereinander. Entscheidendes Kriterium bei der Kaufentscheidung ist neben dem Preis die Kundenbewertung geworden. Deshalb kommt eine Hotelseite heute kaum ohne Bewertungen aus. Am bekanntesten ist holidaycheck.de, die einst als Bewertungsportal begann und über den Verkauf von Reisen zu einem großen Reisevermittler aufstieg.

Für ein Hotel sind gute Noten wie „fabelhaft“ oder „sehr gut“ überlebenswichtig. Doch das Verhältnis zwischen Bewertern und Hoteliers ist angespannt: „Fast die Hälfte der Hoteliers hat schon Erfahrungen mit gefälschten Bewertungen gemacht“, sagt Roland Conrady. Der Touristikprofessor von der Fachhochschule Worms schätzt, dass ein Drittel der Bewertungen „Fakes“ sind. Das Problem: Nur wenige Webadressen wie hrs.de garantieren, dass die Einschätzungen nur von Gästen abgegeben wurden, die dort auch übernachtet haben. Noch immer lassen sich fingierte Bewertungen und geschönte Rezensionen auf Seiten wie ciao.de, tripadvisor.de und holidaycheck.de einschmuggeln, wie jüngste Tests ergaben. Die Pressesprecher versichern zwar, sie würden manuelle Stichproben vor dem Freischalten der Bewertungen machen, aber „es gibt keine absolute Fälschungssicherheit“, so Experte Conrady.

In Sachen Hotelbewertungen hat sich das Mitmach-Web ad absurdum geführt. Nicht durch die Urlauber, sondern durch professionelle Agenturen, die gegen das Image eines Hauses in den sozialen Netzwerken gegen Geld aufbessern. Firmen wie Collactive nennen ihren Service vornehm „Increase customer loyality“-Programm. Skepsis statt Vertrauen ist bei Bewertungsportalen daher angesagt, besonders wenn die Meinungen bei einem Hotel zwischen plumper Kritik und Lobhudeleien extrem auseinandergehen.

Schreiben Sie doch eine Beschwerde

Wer demnächst bei winterlichen Bahnfahrten Probleme bekommt, seinen Anschlusszug verpasst und nicht weiß, wie die Reise weitergeht, sollte sich den Rat eines verzweifelten Bahnmitarbeiters zu Herzen nehmen. „Ich weiß auch nicht, wann der Zug kommt. Schreiben Sie doch auch so eine Beschwerde wie die Jana Maria auf Facebook.“

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