Berufung im Fall Julian Assange: Stütze der demokratischen Welt

Julian Assange kann gegen seine Auslieferung Berufung einlegen. US-Präsident Biden sollte die Verfolgung beenden.

Demo mit Banner, darauf das Gesicht von Julian Assange

Vor dem Obersten Gericht in London: Poster für die Freilassung des Whistleblowers und Journalisten Julian Assange Foto: Kin Cheung/AP

Das mühsam erworbene Berufungsrecht des Wikileaks-Gründers Julian Assanges, das am Pfingstmontag im letzten möglichen Moment vor seiner Abschiebung in die USA errungen wurde, wird von ihm und seinen Verbündeten als Sieg gefeiert. Doch der Kampf um Assanges Freiheit geht weiter. Es ist nicht nur die Freiheit für Assange, es ist auch, ja, so pathetisch kann man es sagen, eine Stütze des Rückgrats der demokratisch freien Welt.

Assange befand sich nach dem Urteil am Montag immer noch in einem Londoner Hochsicherheitsgefängnis – so wie seit fünf Jahren. Zuvor saß er sieben Jahre in die Londoner Botschaft Ecuadors fest, bewacht durch die britische Polizei. Das Berufungsrecht erlaubt es Assanges Verteidigung, nun alle Argumente gegen seine Ausweisung detailliert vorzutragen. Bis es dazu kommt, kann in den USA durchaus der Republikaner Donald Trump als Präsident (wieder) an der Macht sein – ein Mann, dessen Demokratie- und Justizverständnis selektiv zu nennen ist.

Die von Assange gemeinsam mit einigen der wichtigsten freien demokratischen Medien veröffentlichten Informationen haben US-Kriegsverbrechen aufgedeckt. Die Akten wurden nicht von Assange persönlich geleakt, sondern ihm von der damaligen Angehörigen der US-Streitkräfte Chelsea Manning ausgehändigt. Diese wurde dafür zu einer Haftstrafe von 35 Jahren verurteilt, aber nach sieben Jahren vom damaligen US-Präsidenten Barack Obamas begnadigt und in die Freiheit entlassen.

Anders als Manning war Assange Journalist und Publizist. Wäre Assange ein Journalist mit US-amerikanischer Staatsbürgerschaft, etwa wie der Whistleblower Daniel Ellsberg, hätten die USA aufgrund des Rechts auf Meinungsfreiheit kaum eine Möglichkeit gehabt, gegen ihn rechtlich vorzugehen. Und ganz sicher nicht mit einem Strafmaß von bis zu 175 Jahren.

Demokratisch freie Länder wie die USA und das Vereinigte Königreich müssen sich zunehmend gegen autoritäre Regime wie China, Iran, Nordkorea und Russland behaupten. Der Umgang freier sowie autoritärer Staaten mit Journalist:innen, die unangenehme Wahrheiten veröffentlichen, unterscheidet sich fundamental. Noch mehr: Jeder weitere Tag Assanges hinter Gittern spielt einem Putin oder Xi in die Hände, westliche Länder als scheinheilige Konstrukte zu verpönen. Der Demokrat Joe Biden sollte sich beeilen, Assanges Verfolgung zu beenden – und damit auch die freien Demokratien zu retten.

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Seit 2012 für die taz im ständigen Einsatz. In München geboren und aufgewachsen, machte er sein Abitur in Israel. Seit 1991 lebt er im Herzen Londons, wo er zunächst drei Hochschulabschlüsse absolvierte, unter anderem an der SOAS, wo er Politik und Geschichte studierte. Nach einer Rundfunkausbildung war er zunächst für DW im Einsatz. Neben dem Journalistischen war er unter anderem als qualifizierter Pilateslehrer, Universitätsassistent und für das britische Büro des jüdisch-palästinensischen Friedensdorfes Wahat al-Salam ~ Neve Shalom tätig. Für die taz bereist er nicht nur die abgelegensten Ecken Großbritanniens, sondern auch die Karibik und die Kanalinseln. Sein Buch über die Schoa "Soll sein Schulem. Verluste, Hass, Mord, Fragen der Identität aus autobiografischer Sicht," soll Ende 2024 oder Anfang 2025 erscheinen.

Bilder zur Pressefreiheit 2024 Illustration von Lucia Žatkuliaková 6976051 6008040 g6008040

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