Söder bei Meloni: Ziemlich beste Freunde

Zwischen Markus Söder und die Neofaschistin Giorgi Meloni passt kaum ein Blatt Papier – so zumindest wirkte deren Treffen im Palazzo Chigi in Rom.

Mann schaut auf Frau hinunter

Söder und Meloni: in ziemlich vielen Bereichen einer Meinung Foto: Oliver Weiken/dpa

Das sind doch mal gute Nachrichten. Gerade hat Bayerns Ministerpräsident Markus Söder in Rom Italiens Regierungschefin Giorgia Meloni getroffen, da macht er auch schon ein paar Klarstellungen. Nein, in der Flüchtlingspolitik ist der Bayer weiter gegen das „Ruanda-Modell“, sprich: gegen die Deportation von Mi­gran­t*in­nen nach Afrika, wie sie die britische Regierung unter Rishi Sunak betreibt. Und ein zweites Nein gab es auch noch: Söder mag sich einfach nicht vorstellen, dass Melonis postfaschistische Truppe der Fratelli d’Italia (FdI – Brüder Italiens) nach den im Juni anstehenden Europawahlen Mitglied in der christlich-konservativen Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP) werden wird.

Fast möchte man glauben, Söder habe da mal wieder eine Brandmauer nach rechts hochgezogen. Immerhin anderthalb Stunden redete er am Freitag mit Meloni, und wenn man nur auf seine beiden Neins schaut, sieht es fast so aus, als habe er ihr kräftig die Leviten gelesen.

Doch das Gegenteil ist der Fall. Nicht umsonst tauschten die beiden am Ende des Gesprächs ihre Handy-Nummern aus, um in Zukunft mal eben schnell per SMS wichtige Dinge abstimmen zu können – sie haben sich, so scheint es, prächtig verstanden. Und das liegt vorneweg weniger an der Italienerin als an dem Bayern.

Noch vor einem Jahr hatte der seinen Parteifreund, den Europaparlamentarier und EVP-Vorsitzenden Manfred Weber, kräftig abgewatscht, weil der die Nähe zu Meloni gesucht hatte. Die Postfaschistin nämlich arbeitet seit ihrem Amtsantritt als Ministerpräsidentin systematisch daran, ihr Standing in Europa zu verbessern. Mit Erfolg: Bei Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen stehen ihr mittlerweile die Türen offen, gerne gehen die beiden auch auf gemeinsame Auslandsreisen, nach Tunis oder nach Kairo. Und auch zu der ebenfalls zur EVP gehörenden Präsidentin des Europäischen Parlaments, Roberta Metsola, pflegt Meloni solch harmonische Beziehungen, wie sie sie auch zu Manfred Weber suchte.

Das alles gehört zu Melonis Spagat: Außenpolitisch gibt Italien unter ihrer Führung weiter den seriösen Partner, tut sie alles, um ihre alten Ausfälle gegen die EU als „obskure Entität von Bürokraten“, die „die nationale Identität der europäischen Völker zerstören“ wolle, vergessen zu machen. Innenpolitisch aber hält sie an ihrer reaktionären Agenda fest.

Der Spagat funktioniert, wie jetzt auch Söders Rom-Besuch zeigt. Hinter seinen beiden entschiedenen Neins verbergen sich nämlich zwei klare Jas. „Viele Gemeinsamkeiten“ hatte der bayerische Ministerpräsident nach dem Gespräch entdeckt, und die beziehen sich eben nicht nur auf die Verkehrspolitik oder auf beider Ablehnung des von der EU verfügten Aus für Verbrenner-Motoren.

Auch in der Asylpolitik konnte die Übereinstimmung nicht größer sein. Gewiss, Söder mag gegen das Ruanda-Modell sein – aber bloß, weil der afrikanische Staat „einfach zu weit weg ist“. Meloni hat eine Albanien-Lösung: Der Vertrag zur Errichtung italienischer Lager im Balkanstaat ist schon unterzeichnet, und Söder freut sich: „Das könnte ein Modell sein, das für ganz Europa trägt. Das würde ich sehr unterstützen.“

Keine Bedenken hat er dagegen, dass Italien da auf einen ebenso unmenschlichen wie sündteuren Ausweg zusteuert. Keine Bedenken wohl ließ er auch dagegen laut werden, dass Meloni die in der Seenotrettung tätigen NGOs nach Kräften schikaniert, zuletzt mit dem von der nationalen Luftfahrtbehörde ENAC ausgesprochenen Verbot für NGO-Flugzeuge, von italienischen Flughäfen zu starten, um das Seegebiet zwischen Libyen und Sizilien zu überwachen, mit der ebenso absurden wie zynischen Begründung, eben diese Flüge brächten das Leben der Migranten „in Gefahr“.

Und so ist auch das Nein zu einer zukünftigen Mitgliedschaft der Meloni-Partei FdI in der EVP gar keines. Dort nämlich will Meloni gar nicht hin. Ihre EP-Abgeordneten sitzen in der EKR, dem rechtsradikal-reaktionären Club der „Europäischen Konservativen und Reformer“, zu dem etwa die polnische PiS oder die spanische Vox zählen.

Dort will Meloni bleiben – um mit der EVP ins Geschäft zu kommen. Nicht umsonst heißt ihr Slogan im Europawahlkampf „Italien verändert Europa“. In Rom herrscht schon eine Koalition ihrer FdI mit Forza Italia (die im EP in der EVP sitzt) und mit Matteo Salvinis Lega (die zur Fraktion ID – Identität und Demokratie – zählt, an der Seite Marine Le Pens und der AfD). Von einer solchen Rechtsallianz träumen Meloni und ihre Koalition auch in Europa.

Da hilft es wenig, wenn Söder sich damit herausredet, Meloni sei zur AfD deutlich auf Abstand gegangen, ja, habe „klare Ablehnung“ gezeigt – so als sei es nun an ihr, ein Stückchen weiter rechtsaußen eben jene Brandmauer wieder zu errichten, die er gerade eingerissen hat.

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Promovierter Politologe, 1985-1995 Wissenschaftlicher Mitarbeiter an den Unis Duisburg und Essen, seit 1996 als Journalist in Rom, seit 2000 taz-Korrespondent, daneben tätig für deutsche Rundfunkanstalten, das italienische Wochenmagazin „Internazionale“ und als Wissenschaftlicher Mitarbeiter für das Büro Rom der Friedrich-Ebert-Stiftung.

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