Wagenknecht-Parteitag in Sachsen: Eine Partei für Veränderungsmüde

Das BSW geht in Sachsen diszipliniert ans Werk. Dabei versucht es ein bisschen Linkspartei-Gerechtigkeitssound mit viel Sehnsucht nach Gestern zu kombinieren.

Aus der Vogelperspektive: Sahra Wagenknecht umringt von Journalist*innen, die ihr Aufnahmegeräte und Mikros entgegenhalten

Stand erwartungsgemäß auch auf dem sächsischen Landesparteitag des BSW im Mittelpunkt der medialen Aufmerksamkeit: Sahra Wagenknecht Foto: Sebastian Kahnert/dpa

Die Wagenknecht-Partei ist ein doppeltes Novum. Sie verbindet programmatisch gemäßigte, linke Sozialpolitik mit rechtem Kulturkonservativismus. Das gab es bisher so wenig wie die Fokussierung auf eine Person an der Spitze.

Die Fixierung auf Personen ist in Europa schon lange gängige Praxis, von Berlusconi über Kurz bis zu Wilders. Die bundesdeutsche Politik war bisher anders gepolt – sachlich, kühler, mehr auf Parteien als auf Führungspersonal orientiert. Mit charismatischer Herrschaft hatte man vor 1945 schlimme Erfahrungen gemacht. Das BSW ist eine Art Populismus-Test für die hiesige politische Kultur.

Die Partei, vor Ort noch nicht fassbar, ist noch immer eine Luftbuchung. Der Parteitag in Sachsen zeigt aber, dass man mit Wagenknecht rechnen muss. Die handverlesene Truppe von ein paar Dutzend Parteimitgliedern ging in Dresden professionell, fast kadermäßig diszipliniert ans Werk. Keine Debatte. Alles top down, zentriert um den Star. Dieser neoautoritäre Stil ist von dem basisdemokratischen Chaos, das die frühen Tage der Grünen oder der AfD prägte, meilenweit entfernt.

Wagenknecht bedient sich einer pazifistischen Rhetorik, die Putins imperiale Aggression verdrängt. Das BSW verkehrt Täter und Opfer. Daran ändern auch pflichtschuldig eingestreute Hinweise nichts, dass man Putins Krieg verurteile. Das BSW will wieder russisches Gas kaufen und Kyjiw keine Waffen liefern – also den russischen Imperialismus mitfinanzieren und die Ukraine zur Kapitulation zwingen. Diese Haltung verrät einen brutalen, materiellen Egoismus. Germany first, mit Friedenslyrik umrankt. Man inszeniert sich als Friedensengel und denunziert die anderen als Kriegstreiber.

Aber es gibt auch andere Töne. Das BSW versucht eine Balance zwischen populistischem Empörungsunternehmertum und Realpolitik, eine Kombination von ein bisschen Linkspartei-Gerechtigkeitssound und viel Sehnsucht nach gestern.

Die Zukunft, die das BSW entwirft, ähnelt dabei der Vergangenheit. Es ist eine Welt mit weniger Migranten und mit Grundschulen ohne Laptops, in denen noch Lesen, Schreiben und Rechnen gelernt wird. Auf den Straßen fahren auch in Jahrzehnten noch solide deutsche Verbrenner-Autos.

Das BSW leugnet, anders als die AfD, den Klimawandel nicht, findet ihn aber nicht so dringlich. Das schürt die Illusion, dass man sich die Zumutungen des gigantischen, klimaneutralen Umbaus der Gesellschaft, der ansteht, vom Leib halten kann.

Dieses nostalgische Versprechen ist der Kern des BSW. Es ist ein Angebot an die eher kleinstädtische, alte Mittelklasse, an Milieus, die sich im Selbstverwirklichungskapitalismus abgehängt fühlen. Der Ideologiemix aus Elitenverachtung, nationalistischen Tönen und Verteidigung des Normalen zielt auf die Veränderungsmüden, die sich überfordert fühlen. Das hat etwas Regressives. Und etwas Entlastendes.

Zukunftstauglich ist das nicht. Für den Moment erfolgreich vielleicht schon.

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Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.

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