Hamburg kauft Immobilie für Suchtkranke: Ein Haus gegen die Verelendung

Am Hauptbahnhof will der Senat ein neues Hilfsangebot für Suchtkranke und Wohnungslose schaffen. Alteingesessene Einrichtungen sind nicht begeistert.

Auf einem Platz stehen Menschen unter einem Bau vor einem Gebäude

Suchtkranke Menschen stehen vorm Drogenhilfsraum Drob Inn. Das neue Hilfsangebot soll ins graue Haus links neben dem Baum kommen Foto: Foto: Christophe Gateau/dpa

HAMBURG taz | Der Hamburger Senat hat für 20 Millionen Euro ein Gebäude im Münzviertel gekauft und will dort bis Ende des Jahres ein umfassendes Hilfsangebot für suchtkranke und wohnungslose Menschen schaffen. Geplant sind in der Repsoldstraße 27 in der Nähe des Hauptbahnhofs ein Tagesaufenthalt, Beratungsangebote und eine Notschlafstelle.

Die Sozialbehörde hat nach eigenen Angaben schon länger nach einer geeigneten Immobilie gesucht, um „eine weitere Verelendung zu vermeiden“ und den Betroffenen nachhaltig zu helfen. Mit einem niedrigschwelligen Angebot soll dies nun realisiert werden. Niedrigschwellig bedeutet hier, dass auch Menschen ohne Papiere oder solche, die noch keinen Entzug hinter sich haben, das Angebot nutzen können.

Um diesen Menschen langfristig zu helfen, sollen Beschäftigungs- und Arbeitsangebote geschaffen werden, auch ein separater Teil für Frauen im Gebäude ist angedacht. Die Übernachtungsmöglichkeiten sollen den Rahmen für Beratungen, vor allem gesundheitlicher Art, bieten, wodurch Betroffene nachhaltig Stabilität erlangen können. Bestehende Beratungssysteme und Angebote sollen integriert werden.

Bei den Trägern alteingesessener Einrichtungen rund um den Hauptbahnhof gibt es jedoch Vorbehalte gegen die Umsetzung des Vorhabens.

Zu viel Milieu

Eva Lindemann von der Anlaufstelle Hoffnungsorte Hamburg hat vom Kauf des ehemaligen Bürogebäudes aus der Presse erfahren. Sie begrüßt die Entscheidung des Senats und jedes Angebot, das Menschen Schutz, Sicherheit und Perspektiven bietet, befürchtet aber auch negative Auswirkungen auf ihre KlientInnen im Stadtteil.

Hoffnungsorte betreibt unter anderem die Bahnhofsmission und fünf weitere Einrichtungen in unmittelbarer Nähe des Hauptbahnhofs für Menschen in schwierigen Lebenssituationen. Dazu gehören etwa Menschen, die gerade aus dem Gefängnis kommen oder einen Drogenentzug hinter sich haben. Sie wollen das entsprechende Milieu meiden, sagt Lindemann.

Das Problem: Die geschützte Unterkunft „Haus Jona“ der Hoffnungsorte liegt in derselben Straße wie die Immobilie, die der Senat nun gekauft hat. Gefährdete PatientInnen, die dort unterkommen, hätten dann mit dem bereits bestehenden Drogenkonsumraum Drob Inn, der in fußläufiger Entfernung liegt, sowie der neuen Einrichtung gleich zwei Orte vor der Tür, an denen potenziell gedealt wird und Drogen konsumiert werden. Das könne diese Menschen gefährden, warnt Lindemann. Im Konzept der Stadt seien sie bisher nicht berücksichtigt worden.

Nach Angaben eines Senatssprechers würden die konkreten Angebote jedoch mit den Trägern der bestehenden Sucht- und Wohnungslosenhilfe abgestimmt. Die Staatsräte seien auch in Wien und Zürich gewesen und hätten sich dort fachlich über die Drogen- und Suchthilfelandschaften ausgetauscht.

Beschäftigungs- und Arbeitsangebote sollen geschaffen werden, auch ein separater Teil für Frauen im Gebäude ist angedacht

Aber auch Christine Tügel vom Verein Jugendhilfe, dem Träger des Drob Inn, sagt der taz, dass sie bisher nicht in das Konzept einbezogen worden seien. Sie könne zum jetzigen Zeitpunkt auch keine Einschätzung zu den Plänen der Sozialbehörde abgeben, da ihr konkrete Informationen fehlten.

Rund um den Hauptbahnhof gibt es seit Jahren Probleme, weil sich dort viele Menschen mit Suchterkrankungen treffen und aufhalten. Das ist nicht nur für viele Betroffene selbst unangenehm und gefährlich, sondern belastet auch Reisende und AnwohnerInnen. Drogenkriminalität gehört zum Alltag.

Konkrete Pläne für die neue Einrichtung gibt es noch nicht, die konzeptionelle Arbeit hat gerade erst begonnen. Auch welche Träger die Sozialarbeit vor Ort umsetzen sollen oder wie viele Menschen dort einen Platz finden können, ist noch unklar. Der Senat betont, dass man noch ganz am Anfang des Projektes stehe. Es sei offen, wie und wann die Zusammenarbeit mit den bestehenden Hilfsangeboten gestaltet werden könne.

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